Air-India-Absturz Wie sicher ist die Boeing 787?

Boeing 787
Wie sicher ist eine Boeing 787 wirklich?
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Sehen Sie im Video: Boeing 787 verunglückt – wie sicher ist der Dreamliner?
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Was führte zum Flugzeugabsturz der Maschine der Air India? Klar ist: Die Diskussion um die Sicherheit des "Dreamliners" wird erneut aufflammen. Denn es gab zuvor bereits Probleme.

Nahe des indischen Flughafens von Ahmedabad ist heute eine Maschine der Fluggesellschaft Air India abgestürzt. Das Flugzeug war unter der Flugnummer AI 171 auf dem Weg von Ahmedabad nach London-Gatwick. Laut der Fluggesellschaft waren 242 Passagiere und die Besatzungsmitglieder an Bord. Die Maschine mit dem Registrierungskennzeichen VT-ANB hatte laut öffentlich zugänglicher Daten um 13:38 Uhr Ortszeit offenbar zunächst eine Höhe von etwa 625 Fuß (etwa 190 Meter) erreicht – bei einer Geschwindigkeit von umgerechnet etwa 322 km/h über Grund. 

In Indiens stürzt eine Maschine kurz nach dem Start ab
Passagierflugzeug mit über 240 Menschen kurz nach Start abgestürzt
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Video zeigt Absturz von Air India-Maschine
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Nach Angaben der Webseite "Flighradar24.com" handelt es sich bei der Unglücksmaschine um eine elfeinhalb Jahre alte Boeing 787-8, vom Hersteller werbeträchtig "Dreamliner" genannt. Die beiden Triebwerke stammen laut "Airfleets.net" vom Hersteller General Electric, Typ GEnx-1b. Dieser Typ war 2008 von der US-Luftfahrbehörde zugelassen worden. Es handelt sich um den ersten Totalverlust einer Boeing 787 überhaupt. 

Verunglückte Maschine bereits 2014 in Zwischenfall verwickelt

Die verunglückte Maschine war laut der Flugsicherheits-Seite "The Aviation Herald" bereits 2014 in einen Zwischenfall verwickelt: Am 21. August 2014 hatte die "VN-ANB" auf einem Flug von Delhi nach Kalkutta umkehren müssen, nachdem eine Cockpit-Scheibe gesprungen war.

Die Boeing 787-8 ist ein Langstreckenflugzeug, nicht zu verwechseln mit Boeings deutlich kleinerer 737 Max 8, von der 2018 und 2019 zwei Maschinen abstürzten. Die "Dreamliner" genannte 787 hatte ihren Erstflug im Dezember 2009, erster Kunde war ab 2011 die japanische Gesellschaft All Nippon Airways (ANA). Von den drei Varianten der 787 sind bisher weit mehr als 1000 Maschinen ausgeliefert worden. Auch die Lufthansa fliegt diesen Flugzeugtyp, sie nutzt seit 2022 allerdings die im Vergleich zur 787-8 längere Version 787-9. 

Wie sicher ist die 787? "The Aviation Herald" hat diverse Zwischenfälle protokolliert: Probleme mit den Triebwerken, Risse in Cockpitfenstern, Hydraulik-Leckagen, ungewöhnlicher Geruch in der Kabine. Wo mit Passagierjets geflogen wird, da kommt all dies weltweit immer wieder vor – bei allen möglichen Flugzeugtypen. Kein Grund also, durch solche Ereignisse an der generellen Sicherheit der 787 zu zweifeln. 

Flugzeugabsturz: Anfangs gab es bei der 787 Probleme mit Akkus

Bedenklicher wirken hingegen Zwischenfälle, die sich in den ersten Jahren nach Zulassung des "Dreamliners" ereigneten: Bei beiden Vorfällen waren fest verbaute Lithium-Kobaltoxid-Akkus beteiligt: Am 7. Januar 2013 brannte auf dem Flughafen Boston ein Akku einer 787 der Japan Airlines (JAL). Da sich keine Personen an Bord befanden, gab es keine Verletzten. 

Am 16. Januar 2013 kam es in einer 787 der japanischen Gesellschaft All Nippon Airways (ANA) zu Rauchentwicklung in der Kabine. Die Maschine musste notlanden. Ursache war auch hier ein Defekt eines Akkus. Die amerikanische Luftfahrtbehörde FAA erließ ein komplettes Flugverbot für den "Dreamliner". Andere Behörden auf der ganzen Welt folgten. Offenbar waren die Akkus unzureichend getestet worden. Erst nach technischen Umrüstungsmaßnahmen wurde das Flugverbot im April 2013 zurückgenommen. 

Aber der Flugzeugtyp hatte weiter mit Problemen zu kämpfen: 

  • Im Februar 2019 werden Probleme mit dem Feuerlöschsystem der 787 bekannt: Bei andauernder Wärmeeinwirkung sei die Möglichkeit gegeben, dass sich ein entsprechender Schalter zur Aktivierung des Systems im Cockpit möglicherweise nicht bewegen ließe. Die FAA warnte vor der "Möglichkeit eines unkontrollierbaren Brandes". 
  • Im April 2019 berichtet ein Boeing-Ingenieur von Sicherheitsproblemen der 787 bei der Herstellung von Rumpf- und Tragflächenteilen. Zulieferer hätten nicht ausreichend kontrolliert, ob die Bauteile den Qualitätsnormen entsprochen hätten. Es sei möglich, dass fehlerhafte Teile verbaut worden seien. 
  • Im August 2020 legt Boeing acht Flieger des Typs 787 still, die 2019 gebaut worden waren. Offenbar konnte wegen Produktionsfehlern die Stabilität der hinteren Rumpfsektion nicht gewährleistet werden. 
  • Im September 2020 wird bekannt: Bei fast 900 Exemplaren der 787 kann im Bereich des Höhenruders vorzeitige Materialermüdung auftreten.
  • Zwischen Mai 2021 bis August 2022 dürfen wegen Produktionsmängeln keine Dreamliner an Kunden ausgeliefert werden.
  • Im Februar 2023 wird erneut die Auslieferung gestoppt – diesmal wegen Problemen an einem Teil des Flugzeugrumpfes. 
  • Im April 2024 sagt ein Boeing-Ingenieur bei einer Anhörung vor dem US-Senat aus, dass bei der Produktion der 787 wesentliche Sicherheitsmängel aufgetreten seien. "De facto stellen sie fehlerhafte Flugzeuge her. Ich war Zeuge von schweren Montagefehlern beim Zusammenbau des Flugzeugs. Ich habe gesehen, wie Monteure auf den Flugzeugen herumsprangen, um Teile passend zu machen. Das war nur eine von vielen unsachgemäßen Methoden." In einem Interview mit dem Sender NBC News wurde der Ingenieur gefragt, ob er seine Familie derzeit mit der 787 fliegen lassen würde. Antwort: "Im Moment würde ich das nicht."
  • Im Mai 2024 wird bekannt, dass Boeing-Mitarbeiter offenbar Prüfberichte zum Flugzeug gefälscht hatten. So seinen Kontrollen der Verbindung zwischen Rumpf und Tragfläche zwar bescheinigt, tatsächlich aber ausgelassen worden.

Boeing hat immer betont, dass die Maschine sicher sei

Auch die nun vom Absturz betroffene Fluglinie Air India hatte mehrere Zwischenfälle mit Maschinen vom Typ 787:

Im März 2019 kam es auf einem Flug einer 787 der Air India von Delhi nach Frankfurt zu einem plötzlichen Druckverlust in der Kabine. In umgerechnet etwa 6700 Metern Höhe wurden die Sauerstoffmasken ausgelöst, und das Flugzeug musste schnell sinken. Es kehrte sicher nach Delhi zurück. 

Im Januar 2023 war eine 787 der Air India auf dem Weg von Delhi nach Paris, als der Pilot kurz nach dem Start ein Problem mit den Auftriebshilfen ("flaps and stats") an den Flügeln meldete. Die Maschine musste Kerosin ablassen und landete sicher in Delhi.

Boeing hat immer wieder betont, dass das Flugzeug sicher sei. Die Ermittlungen werden hoffentlich klären, was genau passiert ist.