Schauspieler Fritz Wepper ist 71, trägt eine künstliche Hüfte, hatte eine 35 Jahre jüngere Geliebte und mit ihr eine Tochter. Über all das hat der Mime - mehr oder weniger freiwillig - via Boulevardpresse Auskunft gegeben. Darf man ihn deswegen als "impotenten, alternden Lustgreis" bezeichnen, der noch bereit sei, seine "marode DNA" weiterzugeben? Darf man sich über dessen "1 Meter 50 geballte Erotik mit 40 Kilo zu viel auf der künstlichen Hüfte" lustig machen?
Der Comedian Atze Schröder meint: Klar darf ich. Und verhöhnte Wepper so und mit weiteren frivolen Witzen in seinen Shows, auf einer DVD und sogar in einer Pressemitteilung. Der Verspottete meint: Nein, das geht zu weit. Wepper verklagt den Komiker auf Unterlassung und verlangt ein Schmerzensgeld in Höhe von 25.000 Euro. Bislang lief der Rechtsstreit schriftlich und über die Medien ab, nun treffen sich die Parteien in München vor Gericht.
Es geht um Sex, Affären und ziemlich derbe Worte
Der Zoff ist wie geschaffen für den Boulevard, er hat alles, was eine saftige Story für die bunten Blätter haben muss: Es geht um zwei sehr bekannte und - auf unterschiedliche Weise - sehr beliebte Promis. Es geht um Sex, Affären und ziemlich derbe Worte. Die "Bild"-Zeitung titelte mit Genuss: "Fritz Wepper verklagt Atze Schröder: Er soll ihn nicht mehr als zahnlosen Lustgreis verspotten!" Aber bei "AZ 9 0 2677/12" und "18 W 206/13" geht es um mehr, nämlich die grundsätzliche Frage: Was ist Satire, was darf sie und was müssen sich "Personen der Zeitgeschichte", wie Stars im Juristendeutsch heißen, gefallen lassen?
Die Vorgeschichte von Wepper gegen Schröder ist schnell erzählt: Im Jahr 2009 verließ die "Schauspiel-Legende" ("Bild") seine Ehefrau Angela für Kamerafrau Susanne Kellermann. Aus der Beziehung mit ihr ging Tochter Filippa hervor. 2012 die Rolle-Rückwärts, Wepper kehrte zu Frau Angela zurück und berichtete ausführlich in Interviews über sein Gefühls-Wirrwarr. Ein dankbares Opfer für Hohn.
"Weppers Intimsphäre verletzt"
Dachte sich auch Atze Schröder, als er 2012 mit seiner "Schmerzfrei"-Tour startet. Er macht Wepper zu einer der Hauptfiguren oder besser Hauptzielscheiben seines Programms. Unter der Rubrik "Alte Säcke" ledert er los. Wepper "sein Lieblingspapa des Jahres", stecke sich "die Dritten beim Knutschen schon mal in die Tasche" und benutze für seine Frauen eine "Doppelgarage". Dann fragt der Komiker ins Publikum: "Wie ist denn da wohl die Zeugung abgelaufen? Da tauchen ja Bilder auf." Er fordert die Frauen im Publikum auf "Iiiiih" zu schreien und fügt hinzu: "Der ist doch vor zehn Jahren schon morgens aus der Dusche gekommen und hat zu seinem Mini-Wepper gesagt: Junge, wer hätte gedacht, dass du vor mir stirbst." Auf den Aufnahmen zu der Show kann man sehen und hören, wie sich die Zuschauer auf Kosten Weppers königlich amüsieren.
Wepper fand es gar nicht zum Lachen. Am 14. Dezember 2012 stellte er über seinen Anwalt, Norman Synek, einen Antrag auf einstweilige Verfügung, um Atze Schröder davon abzuhalten, weiter über ihn herzuziehen. Mit seinen Sprüchen würde Wepper "massiv beleidigt und in seiner Intimsphäre verletzt", heißt es in dem Antrag, der stern.de vorliegt. Die Darstellung stelle einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht und die Menschenwürde des Schauspielers dar. Der Anwalt belässt es aber nicht bei diesen juristischen Ausführungen, sondern fügt belehrend hinzu, Wepper sei außerdem gar nicht 1,50, sondern 1,71 Meter groß, habe nie gleichzeitig zwei Frauen gehabt, keine dritten Zähne und "ist auch nicht impotent, wie das geborene Kind beweist". Schröders Anwälte konterten, es lägen keine "schwerwiegenden Verletzungen des Persönlichkeitsrechts" vor, schließlich vermittle Satire lediglich ein "Zerrbild der Wirklichkeit" und habe keinen Anspruch darauf, wahre Tatsachen darzustellen.
Schröder droht sogar Haftstrafe
Das Landgericht München I folgte dieser Argumentation und wies den Antrag zurück. Schließlich sei Wepper eine bekannte Person, Atze Schröder breite keine "der Öffentlichkeit unbekannten Details" aus dem Intimleben des Schauspielers aus und beabsichtige "die satirisch überspitzte Darstellung des Altersunterschieds der Partner". Frohgemut und durch diese Entscheidung gestärkt setzte sich Atze Schröder am 15. Januar in die Talksendung von Markus Lanz und wiederholte seine Witze, während der Moderator und seine Gäste vor Lachen fast von ihren Stühlen fielen. Schröder sagte stolz über den Rechtsstreit: "Ich habe gewonnen."
Er hatte sich zu früh gefreut: Denn erst verpasste ihm das Landgericht München wegen dieser Lanz-Sendung einen Maulkorb. Schröders Anwälte haben zwar dagegen Beschwerde eingelegt und werden ihre Argumente nun in einer mündlichen Verhandlung vorbringen. Aber mittlerweile hat das Oberlandesgericht München auch wegen der Sprüche aus der Live-Show in Weppers Sinne entschieden. Die OLG-Richter erkennen in Schröders Auftritt zwar Kunst, fügen aber hinzu, die sei "einer staatlichen Stil- und Niveaukontrolle nicht zugänglich". Das Gericht wägt ab: Einerseits gebe es die geschützte Kunstfreiheit und die Satire, die durchaus die "Grenze des guten Geschmacks und des einwandfreien Sprachgebrauchs" überschreiten dürfe. So dürfe der Komiker sich natürlich kritisch über die sexuellen Beziehungen zwischen älteren Männer und jüngeren Frauen äußern. Seine Darstellung sei aber "entwürdigend" und diene nur dem Zweck, Wepper zu "verhöhnen". Schröder verletze den Schauspieler "rechtswidrig schwer in seinem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht". Für den Fall, dass er die Wepper-Witze doch weiter auf der Bühne reißt, drohen ihm nun bis zu 250.000 Euro Strafe oder bis zu sechs Monate Haft.

Wollen Sie nichts mehr vom stern verpassen?
Persönlich, kompetent und unterhaltsam: Chefredakteur Gregor Peter Schmitz sendet Ihnen jeden Mittwoch in einem kostenlosen Newsletter die wichtigsten Inhalte aus der stern-Redaktion und ordnet ein, worüber Deutschland spricht. Hier geht es zur Registrierung.
Mit Satire hat das nichts zu tun
Gute Entscheidung, meint selbst Atze Schröders Berufskollege Jesko Friedrich. Der Komiker und Satiriker hält wenig von dessen Gags. "Es geht nur um Aufmerksamkeit und darum, sich einen Ruf als unverfrorenes Lästermaul und Sprücheklopfer zu erarbeiten. Rücksichtnahme wäre da nur ein Hindernis", sagt Friedrich, der auch für die NDR-Satire-Sendung "Extra3" arbeitet und unter anderem mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet worden ist. "Wenn Atze Schröder jemanden in dieser Form beleidigt, ist das keine Satire und auch nicht durch die Kunstfreiheit gedeckt." Satire, sagt Friedrich zu stern.de, übe Kritik an einem Fehlverhalten und wolle Veränderungen erreichen. "Aber sich über den körperlichen Zustand eines alten Menschen lustig zu machen, ist keine Satire und auch unter dem Label Comedy einfach daneben."
Ob Fritz Wepper und Atze Schröder persönlich vor Gericht erscheinen werden, ist noch unklar. Und wenn er kommt, wird der Comedian seine Perücke absetzen? Und wie wird er sich verhalten, wenn die Richter seinen wirklichen Namen erwähnen? Denn das ist das pikante am Verhalten von Atze Schröder: Er selber verklagte vor einigen Jahren Medien, die ihn ohne seine Perücke zeigten und seinen bürgerlichen Namen veröffentlichten. Jesko Friedrich: "Wenn es um den Schutz seiner eigenen Privatsphäre geht, scheint Atze Schröder mit anderem Maß zu messen."