Herr Kowalczuk, wir sitzen auf einem Sofa in Berlin-Mitte. Zwei Männer von 57 Jahren sprechen über das Leben – und wirken, so scheint es mir, beide ziemlich vital. Wie erleben Sie das?
Sie gewinnen einen völlig falschen Eindruck von mir. Ich leide seit 2014 an ME/CFS, bin mittlerweile also im elften Jahr chronisch krank.
ME/CFS heißt "Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Erschöpfungssyndrom". Seit Corona ist dieses Leiden häufiger geworden. Virusinfektionen können es auslösen. Auch viele Long-Covid-Kranke können sich kaum belasten, nicht erholsam schlafen, sich kaum konzentrieren. Sie aber erkrankten lange vor der Pandemie. Wie begann es bei Ihnen?
Gerade war ein großes Buchprojekt über die Opposition in der DDR und die Überwachung durch die Staatssicherheit abgeschlossen. Ich lebte im Dauerstress: vier Kinder, meine Frau ist Universitätsprofessorin. Wir hatten nie Unterstützung von außerhalb der Familie. Ich pendelte zwischen Bayreuth und Berlin. So war damals seit vielen Jahren mein Leben. Das erwähne ich, weil ich ständig in einem Zustand von Übermüdung und Entkräftung gelebt habe. Erschöpft sein war für mich normal.