In der kleinen Kirche im hessischen Seligenstadt richten sich alle Augen auf sie: Christoph und Rüdiger Zimmermann tragen dunkle Anzüge mit Weste, in jeder Sackotasche steckt eine Rose. Fast wie ein geteilter Brautstrauß. "Unsere Liebe ist nicht nur eine Sache des Verstandes, sondern des Herzens", liest einer der beiden aus einem gebundenen Programmheft vor. Ernst und sehr langsam.
Erstmals wurde am Freitag in einer evangelischen Kirche die Ehe eines homosexuellen Paares kirchenrechtlich beurkundet. Zwar konnten sich einige gleichgeschlechtliche Partner schon segnen lassen, eine Zeremonie, die der klassischen Trauung gleich kommt, war bis dato jedoch unmöglich.
Konservative Christen wehren sich gegen die Ehe für alle
"Wir denken, dass Homosexualität zur Schöpfung gehört und dass wir uns Menschen zuwenden müssen, die ihre Homosexualität verantwortungsbewusst leben wollen", sagte Volker Jung, Präsident der Evangelischen Kirche Hessen und Nassau. "Das ist ganz im Geist und Sinne Jesu, der Menschen Lebensdienliches zugesprochen hat," so Jung in einem Beitrag des Hessischen Rundfunks. Mit dieser Entscheidung hat er sich in seiner Kirche nicht nur Freunde gemacht.
Schon seit Wochen sorgt ein Papier zu einem erweiterten Familienbegriff innerhalb der Evangelischen Kirche für Zündstoff. Die "Orientierungshilfe" für Familien, die EKD-Ratsvorsitzender Nikolaus Schneider im Juni der Öffentlichkeit vorstellt, hatte die Homo-Ehe der traditionellen bereits so gut wie gleich gestellt. "Familie, das sind auch Patchwork-Familien, die durch Scheidung oder Wiederverheiratung entstehen, kinderlose Paare und gleichgeschlechtliche Paare mit oder ohne Kinder", heißt es in dem Leitfaden.
Katholische Kirche bleibt hart
Mit der Trauung von Christoph und Rüdiger Zimmermann setzt die hessische Landeskirche nun sogar noch eine Schippe drauf und sorgt bei konservativen Christen für Unmut. "Die Bibel sagt klipp und klar: Die Ehe ist für einen Mann und eine Frau bestimmt auf Lebenszeit und nicht für andere Lebensformen", sagte Eberhard Hoppe vom Evangelischen Gemeinschaftsverband Herborn dem Hessischen Rundfunk. Die Bibel kenne zwar die Verbindung gleichgeschlechtlicher Paare, stelle sie aber "nicht unter Gottes Segen".
Harte Worte, die zeigen, dass es auch in der Evangelischen Kirche noch ein weiter Weg ist, bis homosexuelle Paare wie selbstverständlich zur Gemeinschaft gehören. Im Vergleich zur Katholischen Kirche verhalten sich die Protestanten aber geradezu revolutionär. Papst Franziskus hatte sich zwar Ende Juli dagegen gewandt, homosexuelle Menschen zu diskriminieren oder auszugrenzen – für ihn bleibt die Ausübung der Partnerschaft jedoch verboten. Homosexuelle Neigungen seien keine Sünde, homosexuelle Akte aber schon, sagte der Papst auf einer Pressekonferenz.