Farbsystem-Anbieter Pantone hat "Cloud Dancer" zur Trendfarbe des kommenden Jahres gekürt. Ein undefinierbares – Dunkelweiß? Unsere Autorin ist nicht überzeugt.
Sagen wir mal so: Für einen so langweiligen Farbton wurde die frisch von Pantone gekürte "Farbe des Jahres 2026" in unserer Redaktion ziemlich eifrig diskutiert. Seit Donnerstag ist "Cloud Dancer", ein schmutziges Weiß mit Beige- und Grau-Noten, die Farbe, die uns im kommenden Jahr in Sachen Mode, Einrichtung und mehr begleiten soll. Einige wenige Kollegen fanden das "ganz hübsch". Die Mehrheit aber starrte auf das Farb-Quadrat und zeigte sich sichtlich unterwältigt.
In den vergangenen Jahren lag Pantone mit seinen Trend-Prognosen oft richtig. Als der Anbieter von Farbsystemen 2018 "Ultra Violet", ein helles, knalliges Violett, kürte, mauserte sich dieser Ton tatsächlich zur Hype-Farbe des Jahres. Und auch "Classic Blue" von 2020 verfing sich im Modegeschmack. Dank dieser regelmäßigen Volltreffer richten sich inzwischen viele Unternehmen bei der Vorbereitung ihrer Produktionen fürs kommende Jahr nach den Vorhersagen. Das kann gut gehen – oder auch nicht.
Pantone liegt auch immer mal daneben
2006 etwa war das Jahr der "Brown Apocalypse". Damals erkor Pantone den Farbton "Sand Dollar" zur absoluten It-Farbe. Ein dunkleres Beige mit Tendenz zu Camel-Braun. Wie sich Millennials erinnern werden, griffen die Kundinnen und Kunden damals dann aber viel lieber zu Türkis, Pink und Apricot. Das war keineswegs besser, aber es zeigte: Auch damals fand man beige einfach enorm langweilig. In der Folge blieben so manche Deko-, Mode- und Einrichtungshersteller auf ihren sandfarbenen Lagerbeständen sitzen.
Es geht natürlich auch andersherum: Nicht ganz so lange her ist die Ära der "sad beige moms", in der speziell Influencerinnen sich von Kopf bis Fuß in Weiß und Beige hüllten und ihre vier Wände ebenso einrichteten. Das höchste der Gefühle waren dann ein paar "Erdtöne" zur Auflockerung. Herrje, eine seltsame Phase. Diese Liebe zur Tristheit befiel keineswegs nur Mütter – aber der Anblick komplett farbfreier Kinderzimmer war am Ende das, was den Rest der Gesellschaft am meisten erschütterte. Pantone hatte damals – 2021 – auf ein kühles Grau ("Ultimate Grey") und ein leuchtendes Gelb ("Illuminating") gesetzt. Da kürte man schon zwei Farben, und beide lagen komplett daneben. Nun ja.
Zurück zu "Cloud Dancer". Laut Pantone ist die Nuance ein "Flüstern von Gelassenheit und Frieden in einer lärmgeplagten Welt". Weiß = Frieden, okay, die Symbolik erschließt sich. Aber steht das Hissen einer weißen Flagge nicht auch fürs Aufgeben? Das dröge Hellbeige erweckt jedenfalls eher letztere Assoziation. Und es widerspricht allem, was man derzeit trendtechnisch fühlt: Haben nicht gerade erst leuchtende "Dopamine Colours" das traurige Beige endgültig vertrieben? Haben wir nicht gerade Skinny Jeans und Slim-fit-Anzüge in die Ecke geworfen und mögen jetzt alles so breit und voluminös wie möglich? Haben wir nicht das Marie-Kondo-Buch ganz hinten im Regal versteckt und setzen jetzt auf fröhlichen Maximalismus? Und dann sollen wir uns in dunkelweiß verlieben? Unwahrscheinlich.
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Die Farbwahl wirkt einfach mutlos, langweilig und schrammt am Zeitgeist vorbei. Wo Pantone sich einen "beruhigenden Einfluss innerhalb einer Gesellschaft, die den Wert stiller Reflexion wiederentdeckt" wünscht, will diese Gesellschaft gefühlt gerade viel lieber das permanente Gefühl einer drohenden Apokalypse wegfeiern. Ruhe und Einkehr sind vielleicht das Letzte, was wir gerade wollen – oder können. Wir möchten uns endlich mal wieder gut fühlen, und darum mögen wir es momentan laut, groß, hedonistisch – und bunt!
Sorry, Pantone, aber "Cloud Dancer" … das war nix.