Bundesweite Razzia Sprecherin der "Letzten Generation" Aimée van Baalen: "Die Durchsuchungen machen uns Angst"

Aimée van Baalen, Sprecherin der Letzten Generation bei einer Pressekonferenz
Aimée van Baalen, Sprecherin der "Letzten Generation" bei einer Pressekonferenz in der Reformationskirche in Berlin-Moabit, nachdem es eine Polizeidurchsuchung bei Mitgliedern der Klimaaktivisten-Gruppe gab
© Christoph Soeder / Picture Alliance
Nach der bundesweiten Razzia gegen Mitglieder der "Letzten Generation" kritisiert Sprecherin Aimée van Baalen das Vorgehen der Polizei. Die Razzia sei unverhältnismäßig und die Vorwürfe nicht gerechtfertigt. Aufhalten lassen wolle man sich von den Ermittlungen jedoch nicht.  

Wenige Stunden nach der bundesweiten Razzia gegen sieben Mitglieder der "Letzten Generation" hat sich Aimée van Baalen in Berlin erstmals zu den Hausdurchsuchungen geäußert.  

"Die Razzia hat alle Mitglieder gleichermaßen betroffen", sagt van Baalen vor Pressevertretern in der Reformationskirche in Berlin Moabit. "Sie machen uns Angst, aber wir dürfen jetzt nicht in dieser Angst verharren." Direkte Auswirkungen auf die für die nächsten Wochen geplanten Protestmärsche in mehreren deutschen Großstädten hätten die Ereignisse nicht. Man müsse "jetzt erst recht" in den zivilen Widerstand gehen. 

Wohnungen von Mitgliedern und Unterstützern untersucht

Von den Durchsuchungen betroffen sei unter anderem die Mitbegründerin und Sprecherin der "Letzten Generation", Carla Hinrichs. Außerdem hätten die Ermittler die Wohnung einer Aktivistin namens "Imke" durchsucht, die ihr Mathematikstudium auf Eis gelegt und sich dem Protest angeschlossen habe. Die Razzia habe jedoch nicht ausschließlich Mitglieder der "Letzten Generation" betroffen, sondern auch Unterstützer, die dabei geholfen haben sollen, die Spendenkonten einzurichten, so van Baalen. 

Aimée van Baalen, Sprecherin der Letzten Generation, spricht mit Medienvertretern
Aimée van Baalen spricht mit Medienvertretern nach einer Pressekonferenz der Letzten Generation vor der Reformationskirche in Berlin-Moabit
© Christoph Soeder / Picture Alliance

Die Pressekonferenz der "Letzten Generation" in der Reformationskirche startete mit etwa zwanzig Minuten Verspätung. Man könne noch nicht viel sagen, viele der Durchsuchungen liefen noch, "die Presse weiß teilweise schon mehr als wir", so van Baalen. Sie selbst habe beim Aufwachen von der Razzia erfahren: "Als ich im Halbschlaf auf mein Handy geschaut habe, habe ich gesehen, dass einige meiner besten Freunde gerade in ihrer Wohnung Polizisten gegenüberstehen." 

Im Auftrag des bayerischen Landeskriminalamts und der Generalstaatsanwaltschaft München haben Ermittler am frühen Mittwochmorgen 15 Objekte in sieben Bundesländern durchsucht. Hintergrund ist ein Ermittlungsverfahren "wegen des Verdachts der Begehung von Straftaten der Mitglieder", schrieb das LKA, sowie der Bildung beziehungsweise Unterstützung einer kriminellen Vereinigung gemäß Paragraph 129 des Strafgesetzbuches. Unter anderem sollen die Beschuldigten eine Spendenkampagne zur "Finanzierung weiterer Straftaten" für die "Letzte Generation" organisiert und dadurch bisher einen Beitrag von 1,4 Millionen Euro eingesammelt haben.  

Laut der Sprecherin der "Letzten Generation" sollen die Polizisten "teilweise mit gezogener Waffe" in die Wohnungen der Aktivisten eingedrungen sein. Einige der Betroffenen sollen noch versucht haben, die Razzia auf ihren Twitter-Accounts zu dokumentieren, entsprechende Posts seien von der Polizei jedoch vereitelt oder im Nachhinein gelöscht worden. 

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Letzte Generation: Polizisten laden einen Umzugskarton in ein ziviles Polizeifahrzeug
Polizisten laden einen Umzugskarton in ein ziviles Polizeifahrzeug. Im Zuge eines Ermittlungsverfahrens zu Mitgliedern der Letzten Generation hat die Polizei 15 Objekte in sieben Bundesländern beschlagnahmt.
© Bodo Marks / Picture Alliance

Konten der "Letzten Generation" bis auf Weiteres eingefroren

Van Baalen, in deren Wohnung am Mittwoch keine Durchsuchung stattgefunden hat, kritisiert vor allem die Unverhältnismäßigkeit der Vorwürfe gegen die Mitglieder der "Letzten Generation": "Der Paragraph 129 ist eigentlich dafür da, die öffentliche Ordnung zu schützen, Terrorismus zu vereiteln", sagt van Baalen. "Alles, was wir tun, ist transparent." Man kündige die Aktionen stets an, sei im Austausch mit Polizei und Politik. Die Organisationsstrukturen sowie ein Spendentransparenzbericht seien auf der Webseite der Protestgruppe zu finden. "Genau jener Webseite, die heute morgen abgeschaltet wurde."  

Bisher hätten vor allem Privatpersonen an die Protestgruppe gespendet, "fünf, zehn, fünfzehn Euro für das Überleben ihrer Kinder", sagt van Baalen. "Sollen die jetzt fürchten, dass bald auch ihre Wohnung durchsucht wird?" Die "Letzte Generation" hat noch am Vormittag einen neuen Spendenkanal aufgemacht und den Link über die sozialen Netzwerke geteilt. Man sei auf finanzielle Unterstützung aus der Gesellschaft angewiesen, insbesondere jetzt, da die Konten der Gruppe bis auf Weiteres eingefroren sind. Nun entscheide sich, wie es mit der "Letzten Generation" weitergehe.  

Für den Nachmittag sei ein Protestmarsch in Berlin geplant, heißt es von der "Letzten Generation", weitere sollen am kommenden Mittwoch in "allen deutschen Großstädten" stattfinden. Man gehe davon aus, dass sich nach der Razzia noch mehr Menschen mit den Protesten solidarisieren, so van Baalen: "Viele empfinden die Kriminalisierung als eine große Ungerechtigkeit", sagte sie.