In der Debatte über die umstrittene Ausladung des Publizisten Michel Friedman von einer Lesung im Literaturhaus "Uwe Johnson" in Klütz (Nordwestmecklenburg) wirken die Fronten verhärtet. Der wissenschaftliche Leiter des Literaturhauses, Oliver Hintz, sagte der Deutschen Presse-Agentur, die von Bürgermeister Jürgen Mevius aufgebrachte Debatte um Geld und Fiskalregeln sei "absurd".
Friedman sollte im Oktober 2026 im Rahmen einer Hannah-Arendt-Woche im Klützer Literaturhaus in der Kleinstadt an der Ostsee auftreten. Geplant waren nach Worten von Hintz eine Lesung aus seinem Buch "Mensch! Liebeserklärung eines verzweifelten Demokraten" und ein anschließendes Gespräch. Nachdem ihm der Bürgermeister telefonisch mitgeteilt habe, in der Stadt gebe es Sorge vor rechten Störern und Hamas-Protesten gegen den Auftritt, habe er Friedman wieder ausgeladen. Die Folge war eine Welle massiver Kritik bundesweit.
Bürgermeister: Literaturhaus-Chef hat Fiskalregeln verletzt
Bürgermeister Mevius sprach diese Woche in einer Erklärung im Namen aller Stadtvertreter davon, "dass die Kontroverse um Michel Friedmans Teilnahme an der Hannah-Arendt-Woche ein missverständliches Signal gesendet hat". Weiter schrieb Mevius: "Umso mehr möchten wir bekräftigen, dass Toleranz, Vielfalt und Meinungsfreiheit stets klare Leitbilder unserer politischen Arbeit waren und sind."
Mevius wirft Hintz nun vor, bei der Buchung von Friedman Fiskalregeln verletzt zu haben. Die Kosten hätten die 1.000 Euro deutlich überschritten, für die der wissenschaftliche Literaturhausleiter freie Hand habe. Er als Bürgermeister sei nicht informiert gewesen.
Literaturhauschef: Fiskaldebatte ist absurd
Hintz wies diese Darstellung zurück und sagte, er habe dem Bürgermeister am 26. August die Kalkulation für die Hannah-Arendt-Woche 2025 vorgelegt. Daraus sei hervorgegangen, dass dies ein komplett von außen finanziertes Zusatzprojekt sei. Es werde sogar einen Überschuss geben, der in die Finanzierung der Hannah-Arendt-Woche 2026 fließen solle. Auch diese werde von außen finanziert und den Haushalt der Stadt nicht belasten, sagte Hintz. Das wisse der Bürgermeister.
Der wissenschaftliche Leiter des Literaturhauses verwies darauf, dass bereits in der Vergangenheit namhafte Autoren in Klütz gelesen hätten, bei denen die Kosten höher gewesen seien als bei Friedman. Das sei kein Problem gewesen. "Und bei Michel Friedman wird es plötzlich ein Problem." Der Publizist sei dem Literaturhaus beim Honorar "massiv entgegengekommen". Friedman habe das Konzept der Hannah-Arendt-Woche gut gefunden.

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Suche nach einem Ausweg
Nach dem Eklat um die Ausladung sucht die Stadt jetzt nach einem Ausweg. Am Dienstagabend gab es ein Gespräch von Bürgermeister, Stadtvertretern und Förderverein des Literaturhauses. In der Runde sei über das Thema Finanzen gesprochen worden, sagte Mevius im Anschluss. Hintz habe in dem Fall Fiskalregeln nicht eingehalten.
Auf die Frage, ob entschieden wurde, die Veranstaltung mit Friedman im Oktober 2026 doch durchzuführen oder bei der Ausladung zu bleiben, sagte Mevius: "So weit sind wir noch lange nicht." Am Mittwochabend soll ein weiteres Gespräch stattfinden, dann mit dem wissenschaftlichen Leiter des Literaturhauses, Oliver Hintz.
Für Montag hat die Autorenvereinigung PEN Berlin zu einer Demonstration in Klütz aufgerufen, bei der auch Michel Friedman auftreten soll.