Anschlag auf Weihnachtsmarkt Anschlags-Prozess: Vater schildert Bangen um Fünfjährigen

Die Zeugenbank im Gerichtssaal des temporären Gerichtsgebäudes vom Landgericht Magdeburg. Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa
Die Zeugenbank im Gerichtssaal des temporären Gerichtsgebäudes vom Landgericht Magdeburg. Foto
© Klaus-Dietmar Gabbert/dpa
Im Prozess um den Anschlag auf dem Weihnachtsmarkt berichtet ein Vater, wie die Familie die Tat und die Zeit danach erlebt hat. Bis heute kämpft nicht nur sein kleiner Sohn mit den Folgen.

Unter den Opfern des Anschlags auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt sind viele Kinder. Im Prozess gegen den Täter berichtete der Vater eines schwer verletzten, damals fünf Jahre alten Jungen in bewegenden Worten vom Geschehen und den Folgen bis heute. 

Er und seine Frau seien vorneweg gelaufen, sein Sohn und weitere Familienmitglieder dahinter. Er habe das Bild im Kopf, wie das Auto an ihm vorbeifahre, er sich rumdrehe und seinen Sohn am Boden liegen sehe – mit schweren Verletzungen am Kopf. "Ich wusste nicht, ob mein Sohn noch am Leben ist." Er habe sich nicht bewegt, sei nicht ansprechbar gewesen, sagte der 44-jährige gebürtige Magdeburger, der in Kalifornien lebt und mit Frau und Sohn seine Familie besucht hatte.

Es hätten viele Menschen geholfen. Sie hätten zu denen gehört, die einen der ersten Krankenwagen in die Uniklinik bekommen hätten. Der 44-Jährige berichtete von großer Ungewissheit, Bangen, von weiteren schwerst verletzten Patienten auf der Kinderintensivstation.

"Es ist die Schuld von dem bösen Mann"

Als sein Sohn wieder sprechen konnte, habe er gefragt: "Was ist passiert?" Sie hätten geantwortet: "Ein böser Mann hat dich überfahren." Der Fünfjährige habe nach der Schuld gesucht: "Mami, warum hast du nicht meine Hand gehalten, warum hast du mich nicht weggezogen?" Für sich und seine Frau sagte der 44-Jährige: "Dieses Schuldgefühl haben wir bis heute." Später habe der Sohn die Schuld bei sich selbst gesucht, er habe auf den Weihnachtsmarkt gewollt, sich einen Hotdog gewünscht. Sie hätten ihrem Sohn gesagt: "Es ist die Schuld von dem bösen Mann." 

Eltern sind mit ihrem Sohn heute wie ein "Schutzteam" unterwegs

Inzwischen sei sein Kind wieder körperlich gesund, aber: "Er ist heute ängstlicher als vorher." Seine Frau lebe ein Leben voller Angst. Wenn sie mit ihrem Sohn rausgingen, umzingelten sie ihren Sohn "wie ein Schutzteam von beiden Seiten". Auch nach einem halben Jahr Familientherapie bilanzierte der Mann: "Viel Leichtigkeit ist uns abhandengekommen." Auch der Vater des 44-Jährigen wurde schwer verletzt, er sei nicht mehr der alte, aktive, reisefreudige Mann, der das Leben genieße.

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Die Verfahrensbeteiligten hatten sich darauf verständigt, dass Betroffene nicht aussagen müssen, wenn sie nicht wollen. So sollen sie nicht zusätzlich belastet werden. Im sogenannten Selbstleseverfahren werden die Aussagen in den Prozess eingeführt, die die Zeugen bei der Polizei gemacht hatten. Es handelt sich um etwa 2.800 Seiten.

Der angeklagte 51-jährige Taleb al-Abdulmohsen aus Saudi-Arabien war am 20. Dezember 2024 mit einem Mietwagen mit bis zu 48 Kilometern pro Stunde durch die Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt gefahren. Ein neunjähriger Junge sowie fünf Frauen im Alter von 45 bis 75 Jahren kamen ums Leben. Mehr als 300 weitere Menschen wurden verletzt.

dpa

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