Er ist einer der ältesten und für viele auch einer der schönsten Weihnachtsmärkte Deutschlands: der Augsburger Christkindlesmarkt. Und in seiner mehr als 500 Jahre langen Geschichte ist er jetzt um ein kurioses Kapitel reicher. Denn zwischen Glühweinständen und Kunsthandwerksbuden spielt sich dort regelmäßig ein schräg anmutendes Schauspiel ab.
Männer und Frauen eines privaten Sicherheitsdienstes nähern sich mit eigentümlichen Hubwagen grauen Pollern, hieven diese nach oben und versetzen sie um einige Meter – nur um sie kurz darauf wieder zurück an ihre Ausgangsposition zu bewegen. Das Ganze geschieht dutzende Male pro Stunde.
Bei den Pollern handelt es sich demnach um insgesamt acht sogenannte Oktablocks. Das sind mobile Barrieren, die den Weihnachtsmarkt vor Anschlägen mit Fahrzeugen schützen sollen. Jeder dieser Poller wiegt laut Hersteller 450 Kilo und soll sogar einen Durchbruch mit Lastwagen verhindern. In Zeiten stetiger Terrorgefahr schützen viele Städte und Gemeinden ihre Weihnachtsmärkte oder andere Veranstaltungen mit diesen mobilen Fahrzeugsperren oder anderen Systemen.
Christkindlesmarkt in weiten Teilen der Innenstadt
Doch in Augsburg sorgt dieses Schutzkonzept für ein Problem: Der Weihnachtsmarkt erstreckt sich über den Rathausmarkt, den Martin-Luther-Platz, entlang der Philippine-Welser-Straße, der Maximilianstraße und den Bereich vor der Moritzkirche durch große Teile der Innenstadt – ein Gebiet das von Straßenbahnschienen durchquert wird. Jedes Mal, wenn dort ein Zug hinein- oder hinausfährt, müssen die Gleise freigemacht und die "Oktablocks" versetzt werden.
"Bei einem 7,5-Minuten-Takt mit den zwei Linien 1 und 2 kommen so pro Stunde 64 Versetzungen von Pollern an beiden Enden der Sicherheitszone zustande", rechnet die "Augsburger Allgemeine" vor. Die Alternative wäre gewesen, den Straßenbahnverkehr aus Sicherheitsgründen für rund vier Wochen während des Weihnachtsmarktes an dieser Stelle einzustellen – "keine Option", sagt Augsburgs Ordnungsreferent Frank Pintsch (CDU) der "Bild"-Zeitung.
Poller-Posse in Augsburg lockt Schaulustige
Der Bayerische Rundfunk berichtet von verständnislosen Reaktionen einiger Weihnachtsmarktbesucher, allerdings hält die Stadt das stetige Versetzen der Poller für die zweckmäßigste und günstigste Lösung. Wer sich eingehender mit ihr beschäftige, erkenne, dass das Konzept Sicherheit und Nahverkehr sicherstelle und gleichzeitig weniger in die Atmosphäre eingreife als Betonquader, meint Pintsch.
Der älteste, der grünste, der erotischste: Weihnachtsmarkt extrem
Die mobilen Sperren seien ohnehin gekauft worden, um auch andere Veranstaltungen in der Stadt vor Terroranschlägen zu sichern. Die Anschaffungskosten für die acht Barrieren und vier Hubwagen ("Oktamover") beliefen sich auf 250.000 Euro, eine individuelle Lösung für Rathausplatz und Maximilianstraße in der Augsburger Innenstadt durch versenkbare Poller hätte mit fünf Millionen Euro zu Buche geschlagen.
Laufende Kosten entstünden beim Hin- und Hertransportieren der Poller durch das Personal des privaten Sicherheitsdienstes, das vier Wochen lang täglich bis in die Abendstunden im Einsatz ist. Sie sollen im mittleren fünfstelligen Bereich liegen.
Zumindest ist die Fuggerstadt durch die kurios anmutenden Abläufe am Christkindlesmarkt um eine Attraktion reicher (lesen Sie hier: "Das sind die zwölf schönsten Weihnachtsmärkte außerhalb Deutschlands"). Immer wieder bleiben Besucher stehen und fotografieren oder filmen das Schauspiel, wie Reporter berichten. Und, so ein Lokalreporter der "Augsburger Allgemeinen" in seinem Kommentar, wer länger über das Konzept nachdenke, sollte froh sein, dass es dieses in Augsburg gebe.
Quellen: "Augsburger Allgemeine" (1), "Ausgburger Allgemeine" (2), "Bild"-Zeitung, Bayerischer Rundfunk, Augsburger Christkindlsmarkt, "Oktablock"-Hersteller Hörmann