Unmittelbar nach Amtsantritt galt er als Wackelkandidat, zehn Jahre später ist Bennet Wiegert beim Champions-League-Sieger SC Magdeburg nicht mehr wegzudenken. Längst hat er Legendenstatus erreicht. An diesem Montag feiert er sein zehnjähriges Dienstjubiläum beim Handball-Bundesligisten. In seiner Auftaktsaison 2015/2016 lief damals nicht alles rund, doch der SCM überraschte alle mit dem Pokalsieg 2016. Der Überraschungs-Coup rettete auch Jung-Trainer Wiegert.
Es wundert nicht, dass der heute 43-Jährige diesen Pokalsieg als seinen "wichtigsten Titel" ansieht. In den Folgejahren schraubt der gebürtige Magdeburger am Kader - fungiert auch als Sportdirektor -. Er stellt das Magdeburger Spiel komplett um: Tempospiel, Eins-zu-Eins-Durchbrüche und Würfe aus dem Nahbereich. So kommen auch die Erfolge. Magdeburg spielt regelmäßig international und gewinnt 2021 die European League.
Allmählich an die Spitze
Geschäftsführer Marc-Hendrik Schmedt nutzt die Erfolge, um den SCM auf ein festes Fundament zu stellen, findet eine Basis mit vielen kleinen Sponsoren, um Abhängigkeiten zu vermeiden. Titelprämien werden regelmäßig in die Mannschaft investiert, so die individuelle Qualität gesteigert - und auch auf Verletzungen kann der SCM mit Nachverpflichtungen rasch reagieren. Dabei plant Sportdirektor und Cheftrainer Wiegert grundsätzlich langfristig, weiß in der Regel schon zwei, drei Jahre im Voraus, wie sein Kader aussehen wird.
Wiegert gilt als akribischer Arbeiter, der seine Mannschaft bis zur Besessenheit auf die Gegner vorbereitet, immer wieder neue Ansätze entwickelt. Er habe noch nie einen Trainer erlebt, "der so für seinen Sport brennt", sagt Rückraumspieler Felix Claar über seinen Trainer. Der Magdeburger Spielstil mit vielen Eins-gegen-Eins-Duellen und nahezu ohne Rückraum-Shooter wurde zu Beginn belächelt, gilt mittlerweile aber als vorbildhaft.
Magdeburger Titelhunger
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Die Akribie zahlt sich aus: Seit dem Gewinn der European League holte Magdeburg dreimal den Weltpokal der IHF, zwei deutsche Meisterschaften, wurde 2024 Pokalsieger und gewann 2023 und 2025 die Champions League. Wiegert ist damit einer von nur fünf, die die europäische Königsklasse als Spieler (2002 mit dem SCM) und Trainer gewinnen konnten.
Immer mal wieder wird der Magdeburger Erfolgstrainer mit der deutschen Nationalmannschaft in Verbindung gebracht. Ob die Arbeit mit einem Nationalteam den Clubtrainer Wiegert auslasten würde, wird wohl unbeantwortet bleiben, denn der Job als Nationaltrainer ist "so weit weg für mich, dass ich mir darüber gar keine Gedanken mache", erklärte Familienvater Wiegert mal. Stattdessen wolle er die Entwicklung beim SCM "langfristig" begleiten.
Noch Chancen auf drei Titel
In dieser Saison hat Magdeburg noch drei Titelchancen, führt die Bundesliga souverän an, liegt auf Rang eins in der Vorrundengruppe der Königsklasse und steht im Viertelfinale des Pokals. Die bisher einzige Saisonniederlage gab es im Halbfinale der Clubweltmeisterschaft gegen Titelverteidiger Veszprém. Magdeburg ist unter Wiegert wieder zu einer Topadresse in Europa geworden. "Wir sind die, die man schlagen muss, der beste Verein der Welt", sagte Publikumsliebling Gisli Kristjansson anlässlich seiner Vertragsverlängerung im November.
Bennet Wiegert, der schon als Sohn von Olympiasieger Ingolf als Knirps durch die legendäre Hermann-Gieseler-Halle rannte, hat in Magdeburg längst Legendenstatus erreicht. Sein Trikot mit der Nummer 3 hängt in der Hall of Fame unterm Hallendach. Vater Ingolf, selbst Meister, Pokal- und Europapokalsieger mit dem SCM, fasst das gern so zusammen: "Früher hieß es, das ist der Sohn von Ingolf Wiegert - und heute heißt es, das ist der Vater von Bennet Wiegert." Dienstältester SCM-Trainer ist Wiegert noch nicht. Der legendäre Klaus Miesner trainierte die Magdeburger Handballer über 20 Jahre lang bis zu seinem Tod im Januar 1989.