Äußerungen über Baerbock Richard David Precht – vom sympathischen Intellektuellen zum pöbelnden Proleten

Der Philosoph Richard David Precht ist wegen Kommentaren über Außenministerin Annalena Baerbock in die Kritik geraten
Der Philosoph Richard David Precht ist wegen Kommentaren über Außenministerin Annalena Baerbock in die Kritik geraten
© Rolf Vennenbernd / DPA
Richard David Precht behauptet, Außenministerin Annalena Baerbock hätte "unter normalen Umständen nicht mal ein Praktikum" im Auswärtigen Amt gekriegt. Er outet sich damit nicht nur als Anti-Demokrat, sondern sogar als Rassist. 

Welterklärer Richard David Precht hat sich bei "Lanz&Precht" die grüne Außenministerin Annalena Baerbock vorgeknöpft. "Wenn ich ganz ehrlich sein soll, was für ein Unfall, dass diese Frau Außenministerin geworden ist. Die hätte unter normalen Umständen im Auswärtigen Amt nicht mal ein Praktikum gekriegt", sagte er dort. Precht hat sich damit entlarvt: Weniger als Frauenfeind, wie sich die Leute auf Twitter empören, sondern vor allem als Rassist und Anti-Demokrat.

Precht ein Rassist? Ja. Es gibt nicht einen Rassismus, sondern viele Rassismen, schrieb der Franzose Pierre Bourdieu, der zu den einflussreichsten Soziologen und Sozialphilosophen des 20. Jahrhunderts gehört. Eine Art von Rassismus sei der Rassismus der Intelligenz. Er ist das, was den Herrschenden das Gefühl gibt, in ihrer Existenz als Herrschende gerechtfertigt zu sein; das Gefühl, Wesen höherer Art zu sein. Das tut Precht, wenn er, der Honorar-Professor an einer Uni in Lüneburg ist, Deutschlands Außenministerin bescheinigt, sie tauge nicht mal zur Praktikantin.

Vom unbekannten Autor zum Besserwisser der Nation

Mit ihrer Lobeshymne auf Prechts Buch "Wer bin ich und wenn ja wie viele", machte Elke Heidenreich Precht vor Jahren über Nacht bekannt. Seither hat Precht eine steile Karriere hingelegt: Vom unbekannten Autor zum Besserwisser der Nation. Kaum eine Gelegenheit lässt er aus, um den Menschen die Welt zu erklären. Dabei ist viel Gutes herausgekommen, wie zum Beispiel seine Abrechnung mit dem deutschen Bildungssystem ("Anna, die Schule und der liebe Gott: Der Verrat des Bildungssystems an unseren Kindern").

Precht kritisiert unter anderem, dass das Schulsystem die Neugier und Kreativität von Kindern erstickt, sie zu langweiligen Anpassern erzieht. Und auch, dass die soziale Herkunft in Deutschland noch immer darüber entscheidet, welchen Bildungsabschluss jemand macht. Bildungstitel haben, so beobachtete Bourdieu schon Ende der 1970er-Jahre, Adelstitel abgelöst. Precht nutzt diese Macht, seinen Nimbus als Intellektuellen, nein, er missbraucht ihn, um Baerbock herabzusetzen. Er übt symbolische Gewalt aus, um noch einmal Bourdieu zu bemühen. Ihr Werkzeug ist die Sprache. Und hat ein Ziel: Menschen kleinzuhalten. Nicht nur Frauen, die nach oben wollen oder es gar an die Spitze eines Ministeriums geschafft haben, sondern auch zum Beispiel Kinder aus finanziell benachteiligten Familien, denen man glauben macht, sie gehörten nicht aufs Gymnasium oder an die Uni.

Richard David Precht übt symbolische Gewalt aus

Man kann Annalena Baerbock viel vorwerfen. Dass sie weite Teile ihres Buches abgeschrieben und ihren Lebenslauf aufgehübscht hat, zum Beispiel. Aber nicht, dass sie die Menschenrechtsverletzungen in China geißelt. Das ist ihr Job. Precht wirft ihr deshalb die moralische Inbrunst einer Klassensprecherin vor. Und übt abermals symbolische Gewalt aus, gesteht der Außenministerin allenfalls die Kompetenz einer Klassensprecherin zu. Macht sie klein. Und sich selbst gleich mit, allerdings ohne es zu merken, das ist das Absurde. Aus dem sympathischen Intellektuellen ist ein pöbelnder Prolet geworden, der nicht mal scheut, demokratische Grundregeln infrage zu stellen. Und zwar obwohl er weiß, dass in diesem Land Praktis sogar Kanzler oder Kanzlerin werden können. Das nötige Wissen sitzt in den Stäben. Einzige Voraussetzung: Mindestalter 18, Ausbildung egal. Das ist das Kernstück der Demokratie.  

Precht sei trotz seines phänomenalen Erfolges nicht arrogant, lobte ihn die Frankfurter Rundschau noch vor Jahren. Das ist vorbei. Precht sollte innehalten. Und mal wieder Bourdieu lesen: Wir selber müssen uns ins Glashaus setzen und uns fragen, welchen Beitrag die Intellektuellen zu diesem Rassismus der Intelligenz leisten.