In einer 24-minütigen Podcast-Folge, die sie sogar extra früher veröffentlichten, haben sich Markus Lanz und Richard David Precht zu den Antisemitismus-Vorwürfen gegen Letzteren geäußert. Vergangene Woche hatte Precht in einer Episode ihres Talk-Formats einen antisemitischen Stereotypen reproduziert, als er lapidar sagte, orthodoxe Juden dürften laut ihrer Religion nicht arbeiten, "Diamantenhandel und ein paar Finanzgeschäfte ausgenommen".
Markus Lanz und Richard David Precht beziehen zu Antisemitismus-Kritik Stellung
Am Anfang ihrer aktuellen Folge drücken Lanz und Precht erstmal ihre Überraschung über die "Heftigkeit" der Kritik aus. Es sei "richtig, zu kritisieren", so Lanz. "Es hat mich getroffen, dass du (und ich nebenbei gleich mit) in Windeseile zum Antisemiten umetikettiert worden bist", so der Moderator. "Du bist alles, aber sicher kein Antisemit", so Lanz zu seinem Kollegen. Schließlich habe Precht in seiner Arbeit immer schon eine Aufmerksamkeit auf den Holocaust und die Aufklärung gelegt, erklärt er.
Dann gehen die beiden auf Prechts tatsächliche Aussage ein. Die sei "falsch", so Precht. "Das war so salopp dahergeredet und entspricht nicht den Fakten", sagt der 58-Jährige. "Der Sachverhalt ist deutlich komplizierter. Zuerst möchte ich mich bei allen entschuldigen, die darin etwas Antisemitisches gesehen haben."
Darin etwas Antisemitisches zu sehen, ist derweil gar nicht so schwer, immerhin ist der Jude im Geldhandel eines der ältesten und am weitesten verbreiteten, antisemitischen Vorurteile. Was dahinter steckt?
Es "hat seinen historischen Kern darin, dass die Juden über Jahrhunderte – vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert – von allem Gewerbe ausgeschlossen waren und auch keinen Grundbesitz erwerben durften. So blieb ihnen zum Leben nur der Handel; dort konzentrierten sie sich in dem bei Christen verpönten, doch gern genutzten Geldhandel", heißt es von Seiten des Vereins "Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Düsseldorf".
"Daraus erwuchs", laut Verein, "gepaart mit Missgunst, die pauschale Verleumdung der Juden als 'geldgierige Wucherer'. Dazu entwickelte sich aus barem Unverständnis der länderübergreifenden Verflechtung des Geldgeschäfts das Stereotyp vom 'internationalen Finanzjudentum.'"
Aus dem Kontext gerissen
"Schuster bleib bei deinen Leisten: Lieber Richard David Precht, wenn man keine Ahnung vom Judentum hat, sollte man besser nichts darüber sagen, als uralte antisemitische Verschwörungstheorien aufzuwärmen", schrieb die Israelische Botschaft am vergangenen Wochenende auf X, vormals Twitter.
Im Podcast entschuldigt sich Precht, beruft sich aber darauf, missverstanden worden zu sein. "Antisemitismus ist mir so fern wie kaum irgendetwas anderes", sagt er. Er habe "keine lange Auseinandersetzung an dieser Stelle gemacht", so Precht.
Lanz hingegen verteidigt seinen Podcast-Kollegen. Für ihn sei es eine "Frage der Intention". Er wisse, dass sein Gegenüber kein Antisemit sei. Precht sieht ein größeres Problem der Gesellschaft und der Medien. "Wir haben das Problem in unserer Medienlandschaft, Dinge zu dekontextualisieren, um sie an den Pranger zu stellen", sagt Precht und stichelt damit indirekt gegen die sogenannte Cancel Culture. Es sei eine Unsitte, die weit verbreitet sei und nicht nur ihn betreffe, so Precht.
Ob die beiden mit ihrer Entschuldigung ihre Kritiker besänftigen können, bleibt abzuwarten.
Quelle: "Lanz und Precht" / Politische Bildung NRW