Optimistisch, familienorientiert und wieder mehr an Politik interessiert: Deutschlands Jugendliche sind laut der aktuellen Shell-Jugendstudie besser als ihr Ruf. Statt sich vor ihrem Computer einzuigeln oder nur auf eigene Bedürfnisse zu achten, sind viele Jugendliche zunehmend sozial engagiert, leben umweltbewusst und wünschen sich weitaus häufiger eigene Kinder als bei einer vergleichbaren Befragung vor vier Jahren. Zum 16. Mal wurden im Auftrag von Shell Anfang dieses Jahres rund 2500 Jugendliche und junge Erwachsene zwischen zwölf und 25 Jahren zu ihrer Lebenssituation, ihren Wertvorstellungen und Einstellungen zu Religion und Politik befragt.
"Die Jugend trotzt der Finanz- und Wirtschaftskrise", so lautet das Fazit der Studie. Während sich viele Jugendliche 2006 stärker als zuvor um ihre Arbeitsmarktchancen sorgten, blicken sie nun wieder viel optimistischer in die Zukunft. 59 Prozent schauen zuversichtlich in die Zukunft, vor vier Jahren waren dies nur 50 Prozent. Nur sechs Prozent sehen ihr weiteres Leben eher düster.
Fast drei Viertel der Jugend ist im Allgemeinen zufrieden mit ihrem Leben - das schlägt offensichtlich auch auf die Lebensplanung durch. Denn der Wunsch, später eigene Kinder zu haben, ist deutlich ausgeprägter als noch vor einigen Jahren. 69 Prozent der jungen Leute zwischen zwölf und 25 Jahren wünschen sich Nachwuchs, wobei der Kinderwunsch vor allem bei den jungen Männern deutlich zunahm.
Generell schätzen die Jugendlichen die Familie, aber auch Freunde als Fels in der Brandung. Auch wenn Fleiß und Ehrgeiz für viele hoch im Kurs stehen, so geht es ihnen nicht nur um ihr persönliches Vorankommen, sondern auch darum, ihr soziales Umfeld zu pflegen. Auf der Rangliste der Werte und Lebenseinstellungen stehen "gute Freunde" ganz oben, gefolgt von einem "guten Familienleben", während die Religion eher im Abseits steht. Mehr als drei Viertel der Jugendlichen meinen, dass man eine Familie braucht, um wirklich glücklich leben zu können. Die eigenen Bedürfnisse werden hingegen offenbar zurückgeschraubt. "Eigene Bedürfnisse durchsetzen" - das wollen heute noch 55 Prozent gegenüber 59 Prozent im Jahr 2006.
Zugleich sind immer mehr Jugendliche sozial engagiert; 39 Prozent setzen sich häufig für soziale oder gesellschaftliche Zwecke ein. Einigermaßen überraschend ist hingegen, dass das Interesse an Politik trotz der allgemein behaupteten Politik- und Parteienverdrossenheit wieder leicht steigt. Zwar liegt das politische Interesse weiterhin deutlich unter dem Niveau der 1970er und 1980er Jahre. 2010 waren aber immerhin 40 Prozent der Jugendlichen an politischen Themen interessiert, sechs Prozentpunkte mehr als 2002. Bei den Zwölf- bis 14-Jährigen hat sich das Interesse binnen acht Jahren sogar mit 21 Prozent nahezu verdoppelt.
Ungeachtet der grundsätzlich positiven Einstellung vieler Jugendlicher zeichnet die von Bielefeldern Sozialwissenschaftlern und Meinungsforschern erarbeitete Studie allerdings kein einheitliches Bild. Eine soziale Kluft zeigt sich nicht nur bei der Bewertung der Zukunftsaussichten. So blickt nur jeder dritte Jugendliche aus sozial schwachen Familien zuversichtlich in seine Zukunft. Auch bei der Einschätzung der eigenen Berufsaussichten, beim sozialen Engagement oder dem Politikinteresse geht die Schere teilweise weit auseinander.
Der pessimistische Zukunftsblick vieler Jugendlicher aus sozial benachteiligten Schichten sei "ein Hilfeschrei an die Politik, endlich für Chancengerechtigkeit in unserem Bildungssystem zu sorgen, gerade benachteiligte Kinder besser zu unterstützen und ideologische Debatten zu entsorgen", kommentierte der Bundesvorsitzende der Grünen, Cem Özdemir, die Studienergebnisse.