Die Klage von Joachim Meisner ging so: "Es hat mich immer verletzt, wie abschätzig, ja hämisch, in Deutschland über den Papst gesprochen wurde", sagte er nach der Rücktrittsankündigung von Benedikt XVI. Doch der Pessimismus des Kölner Kardinals scheint übertrieben zu sein - zumindest, wenn man (nicht repräsentativen) Umfragen glaubt. stern.de hatte seine Leser gefragt, was sie von der Demission des Kirchenoberhaupts halten. Die Mehrheit antwortete mit einem für die katholische Kirche eher beruhigenden "ein mutiger Schritt". Anders gesagt: Rund 70 Prozent zollen Benedikt Respekt für seine Entscheidung. Dagegen sind nur 23 Prozent der Ansicht, der Rücktritt sei überfällig und nicht einmal zehn Prozent glauben, seine Abschied des Amts nicht würdig.
Wesentlich kritischer gehen die Menschen offenbar mit dem um, was der Papst in seiner Amtszeit erreicht hat beziehungsweise nicht erreicht hat. Fast die Hälfte (46 Prozent) sagt, dass Benedikt in den vergangenen acht Jahren zu wenig angepackt und daher einen Reformstau verursacht habe. Zusammen mit dem Drittel aller Befragten, das sein Wirken als "zu konservativ" beschreibt, ergibt sich ein insgesamt ernüchterndes Bild: Drei Viertel aller stern.de-Leser sind mit Benedikt eher unzufrieden.
Dauer des Pontifikats soll begrenzt werden
Vermisst werden vor allem Antworten auf die Fragen nach der Abschaffung des Zölibats und die Forderung von Teilen der katholischen Basis, das Priesteramt auch für Frauen zu öffnen. 42 Prozent sehen dies als die dringendste Aufgabe des Vatikan an, gefolgt von 36 Prozent, die die katholische Kirche insgesamt weltoffener sehen wollen. Dazu passt die am meisten geteilte Ansicht, dass die Kirchenoberen die Dauer des Pontifikats grundsätzlich begrenzen sollten – denn auch der Papst als Stellvertreter Christi sei "nur ein Mensch", glauben 57 Prozent der stern.de-Leser.
Die Ergebnisse der Umfrage decken sich im Wesentlichen mit denen einer (repräsentativen) stern-Umfrage aus dem Jahr 2010: Damals äußerte sich die Mehrheit der Deutschen unzufrieden mit Papst Benedikt XVI. Selbst 45 Prozent der Katholiken gaben ihm eine schlechte Note. Drei Jahre zuvor, im April 2007, waren noch 70 Prozent der Ansicht, Benedikt XVI. arbeite gut oder sehr gut.