"Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener" Ermittlungen gegen Online-Magazin "queer.de" wegen Benedikt-Nachruf

Der damalige Papst Benedikt XVI. segnet Gläubige im Juni 2010
Der damalige Papst Benedikt XVI. segnet Gläubige im Juni 2010. Wegen eines Nachrufes auf den emeritierten Papst wird gegen die Seite queer.de ermittelt.
© Pier Paolo Cito/AP / DPA
Gegen die queere Nachrichtenseite "queer.de" wird ermittelt. Es geht um den Verdacht der "Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener". Hintergrund ist ein Nachruf auf den verstorbenen Papst Benedikt XVI.

Die Staatsanwaltschaft Berlin ermittelt gegen das queere Onlinemedium "queer.de". Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft sagte dem stern auf Nachfrage, dass die Ermittlungen von der Berliner Polizei am Mittwoch an sie übertragen wurden. Weitere Angaben wollte man zunächst nicht machen. Die Zeitungen "Tagesspiegel" und "taz" berichteten zuerst.

Die Seite "queer.de" hatte die Ermittlungen gegen sie am Montag selbst veröffentlicht. Demnach informierte die Polizei in Berlin die Redaktion, dass man gegen sie wegen des Verdachts der "Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener" ermittle. Laut dem Artikel ist ein Nachruf auf den verstorbenen Papst Benedikt XVI. Grund für die Ermittlungen. In dem Nachruf vom 31. Dezember wird der emeritierte Papst als "einer der größten queerfeindlichen Hetzer" beschrieben.

Unklar, wer Anzeige wegen Benedikt-Nachruf erstattet hat

Wie der "Tagesspiegel" berichtet, ist am Tag der Veröffentlichung des Nachrufs über die Internetwache die Anzeige bei der Polizei eingegangen. Benedikt XVI. verstarb am selben Tag im Alter von 95 Jahren. Unklar ist bislang, wer Anzeige erstattet hat.

Papst Benedikt, der mit bürgerlichem Namen Joseph Ratzinger heißt, hatte sich häufiger kritisch gegenüber LGBTQ-Menschen ausgesprochen. 2008 sprach er sich gegen die gleichgeschlechtliche Ehe aus. Zudem kritisierte er geschlechtsanpassende Maßnahmen: "Nicht der Mensch entscheidet, nur Gott entscheidet, wer Mann und wer Frau ist." Auch in seiner Biografie aus dem Jahr 2020 verurteilte Benedikt die homosexuelle Ehe.

"Wir wissen bislang nicht, wer Anzeige erstattet hat. Da die 'Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener' jedoch ein Antragsdelikt ist und nur Angehörige Ratzingers antragsberechtigt sind, erwäge ich aus großer Neugier nun doch, eine Anwaltskanzlei einzuschalten und Akteneinsicht zu beantragen", so der Herausgeber und Geschäftsführer von "queer.de", Micha Schulze. "Eine Anklage wäre erschreckend", schrieb er am Freitag auf Twitter. 

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Kritik vom Geschäftsführer der dju

"Wir erleben schon seit einiger Zeit, dass queerfeindliche Gruppierungen und Personen unsere Redaktion mit Strafanzeigen – oder der Drohung, Anzeige zu erstatten – einschüchtern wollen", sagte Schulze der "taz".

Jörg Reichel, Geschäftsführer Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di Berlin-Brandenburg, kritisierte die Ermittlungen bei Twitter und sprach von "Behinderung von Pressearbeit".

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"Die Ermittlungen der Berliner Polizei müssen umgehend eingestellt werden. Der Text entspricht dem Pressekodex und erfüllt nicht die Voraussetzungen nach § 189 StGB, ggf. wg. Beleidigung, übler Nachrede oder einer Verleumdung." 

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Die Staatsanwaltschaft sollte seiner Ansicht nach "umgehend zu der Auffassung kommen", die Ermittlungen einzustellen. "Langatmige Ermittlungen oder eine Anklage durch die Staatsanwaltschaft wären ein Angriff auf die Pressefreiheit."

"Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener" kann mit Gefängnis bestraft werden

Schulze teilt diese Ansichten, wie er in seinem Beitrag schreibt: "Bereits die Vorermittlungen und die Annahme eines Anfangsverdachts gehen deutlich zu weit." Sein Vertrauen in den Rechtsstaat und die Pressefreiheit in Deutschland seien aber groß genug, dass er sich weder eine Durchsuchung der Redaktionsräume, einen Strafbefehl oder eine Anklage vorstellen könne.

Ein Verstoß gegen § 189 des Strafgesetzbuches (StGB), Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener, kann mit bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bestraft werden.

Das LGBTQI-Onlinemedium "queer.de" existiert seit 2003. Betreiber ist die Kölner Queer Communications GmbH. Nach eigenen Angaben ist die Seite das führende "News- und Entertainment-Portal der LGBTI-Community" im deutschsprachigen Raum mit monatlich rund 1,5 Millionen Besucher:innen und vier Millionen Seitenaufrufen.