Interview Sex war ihre Droge: "Ich dachte, es wäre das Einzige, was ich tun könnte"

Karina, eine blonde Frau, sitzt in der Sonne und guckt in die Kamera
Karina war lange sexabhängig. Heute hat sie ein neues Leben
© privat
Sexsucht ist nicht nur ein Männerproblem: Karina erzählt ihre Geschichte von Missbrauch, Gewalt und Abhängigkeit – und wie sie es geschafft hat, sich ein neues Leben aufzubauen.

Karina bittet in ihr Wohnzimmer. Drinnen scheint warmes Licht, draußen regnet es. An der Wand in der Mitte steht ein dunkles, geblümtes Sofa. Links und rechts davon antike Schränke, ein alter Sessel. An einer anderen Wand hängt eine Collage mit Familienfotos. Unten links eine Stickerei: "Kein Schwanz ist so hart wie das Leben".

"Willkommen in Omas Stube", sagt die 51-Jährige und lacht. Ihre blonden Haare hat sie seitlich zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. 20 Jahre lang hat sie in der geschlossenen Abteilung einer psychiatrischen Klinik gearbeitet, hat fünf Aus- und Weiterbildungen abgeschlossen, darunter eine zur Sexologin.Vor zwei Jahren ist sie in Frührente gegangen, wegen einer Posttraumatischen Belastungsstörung, kurz PTBS.

"Kein Schwanz ist so hart wie das Leben" steht auf einer Stickerei
"Kein Schwanz ist so hart wie das Leben"
© Rune Weichert / stern

Karinas Leben ist von Schmerz, Leid, Gewalt und Missbrauch geprägt. Der stern hat sie in der "Menschenbibliothek" kennengelernt, einem Projekt in Kopenhagen, in dem Menschen mit traumatischen Erfahrungen, Menschen, die unter Stigmata leiden, fremden Besuchern Rede und Antwort stehen. Das Ziel des Projekts: Vorurteile abbauen.

Dort engagiert sich Karina. Sie nennt sich selbst eine ehemalige Sexabhängige. Jahrelang war Sex ihre Droge. Der Weg in die Abhängigkeit war grausam. Und der Weg raus war nicht weniger hart. Auf ihrem Sofa im Kopenhagener Nordwesten erzählt sie dem stern ihre Geschichte. Eine Geschichte, die selbst Freunde und Familie nicht in allen Details kennen – und die nur einen kleinen Teil ihrer Abhängigkeit ausmacht.  

Hinweis: Dieses Interview behandelt Themen wie sexuellen Missbrauch, sexuelle Gewalt, Gewalt in der Partnerschaft und explizite Darstellungen von Sex. Falls Sie oder jemand in Ihrem Umfeld Hilfe benötigen, hier finden Sie eine Übersicht von Hilfetelefonen und Anlaufstellen.

Bei Sexsucht bzw. -abhängigkeit denken die meisten zuerst an Männer. Aber nicht an Frauen.
Ja, das höre ich sehr oft, auch in der "Menschenbibliothek". Viele Menschen assoziieren es mit Männern, weil sie denken, dass sie diejenigen sind, die beim Sex Gas geben, die viele Frauen flachlegen und damit prahlen und die sich für die Geilsten halten. Aber viele Menschen wissen nicht genau, was es bedeutet, sexsüchtig zu sein. Und dass es auch Frauen trifft.