Oft habe ich mir anhören müssen, dass ich Schuld an meinem Krebs habe. Eine Mode-Buddhistin sagte mir, das die Ursache in einer alten Familienschuld steckt, eine warf mir Bösartigkeit vor, andere meinten, dass ich meinen Busen nicht genug geliebt hätte. Richtig ist nichts von alldem! Ich hatte einfach Pech.
Natürlich dachte ich nach meiner Diagnose lange darüber nach: Warum musste es mich treffen? Habe ich etwas falsch gemacht in meinem Leben? Zuviel konsumiert, geraucht? Habe ich jemandem ein Leid zugefügt? Trage ich irgendeine Form von Schuld? Warum ich? Ich habe gewütet, geschrien („scheiß Krebs!“), verfiel in Depressionen, verzweifelte.
Im Endeffekt war es ganz gut, sich mal durch diese ganzen Gedanken zu wühlen. Nun weiß ich: Nein, ich bin völlig okay, ich bin ohne Schuld.
Diese quälende Frage höre ich oft von Krebspatienten. Die Diagnose und die darauf folgende Schwächung des Körpers machen es dem Selbstzweifel auch sehr einfach. Kommt dann noch der Vorwurf eines Außenstehenden hinzu, bricht alles weg und man versinkt in Depression.
Merkwürdigerweise habe ich solche Vorwürfe auch nur von gesunden Menschen gehört, nicht von Krebspatienten: „Du solltest mal in Dich hineinhorchen, was mit Dir nicht stimmt, Krebs hat immer einen psychischen Grund“ ist ein sehr typischer Kommentar.
Wahr ist: ein solcher Zusammenhang konnte trotz vieler Versuche nicht nachgewiesen werden. Es gibt höchstens einen Zusammenhang zwischen dem psychischen Wohlbefinden und dem Immunsystem oder zwischen Stress und ungesundem Konsumverhalten. Krebs entsteht einfach durch eine Veränderung in den Wächtergenen, entweder durch einen Kopierfehler oder - wie bei mir - durch eine angeborene Mutation.
Es ist oft zu beobachten, dass mit der Diagnose alle anderen Probleme aufbrechen: Das Fell ist sehr dünn, die Umgebung weiß nicht, wie sie sich verhalten soll – alles stapelt sich und bricht zusammen. Daher denken viele, dass sie gerade in einer besonders schweren Lebenssituation gesteckt haben und der Krebs dadurch kam. Aber: er muss ja schon eine Zeit lang gewachsen sein...
Hier hat also einfach mal das Pech zugeschlagen. Das Schicksal mischt die Karten und wir müssen mit ihnen spielen.
Allein schon mit dem Pech klarzukommen, ist ein großes Stück Arbeit. Aber hey - wir leben noch!