Tief ins Fleisch schiebt der Arzt die Nadel vor. Das tut er nicht, um Sie zu quälen, sondern um herauszufinden, wo die Ursache Ihrer Rückenschmerzen sitzt. Zuvor hat Ihr Orthopäde schon ausführlich mit Ihnen gesprochen und Sie untersucht. Wahrscheinlich hat er auch schon eine Magnet-Resonanz-Tomografie Ihres Rückens machen lassen.
Und noch ist der Arzt sich nicht sicher, was Ihre Pein auslöst. Deshalb wird er es nun mit so genannten invasiven Methoden versuchen, das heißt: Er wird mit einer langen Nadel in Ihren Körper eindringen und testen, ob sich Ihr Schmerz verändert.
Die Ärztin betäubt den verdächtigten Nerv
Möglicherweise ist ein einzelner Nerv für Ihre Rückenschmerzen verantwortlich. Das kann die Orthopädin testen, indem sie den verdächtigten Nerv betäubt. Ist der Schmerz dann weg, war der Verdacht richtig.
Um die Nervenfaser zu erwischen, müssen Sie sich auf den Bauch legen. Zunächst desinfiziert die Ärztin Ihre Haut an der geplanten Einstichstelle am Rücken, anschließend macht sie die Stelle mit einer kleinen Spritze fühllos. Dann schiebt sie eine spezielle Nadel so weit ins Fleisch, bis deren Spitze den Nerv trifft. Um das Ziel sicher zu finden, kontrolliert sie das Vordringen der Nadel auf einem Monitor, der seine Bilder von einem Röntgenbildverstärker oder einem Computer-Tomografen erhält. Das bedeutet: So lange, wie die Prozedur dauert, liegen Sie unter dem Beschuss von Röntgenstrahlen.
Hat die Nadel den Nerv erreicht, spüren Sie vielleicht ein Kribbeln oder Brennen, das vorher nicht da war. Möglicherweise durchfährt Sie auch ein starker Schmerz. Bevor die Ärztin den Nerv betäubt, wird sie eine kleine Menge Kontrastmittel durch die lange Nadel in das Nervengewebe fließen lassen, es verteilt sich im angestochenen Nerv. So kann sie die Nervenwurzel auf dem Monitorbild besonders deutlich erkennen. Anschließend leitet sie ein Betäubungsmittel durch die Nadel in die Nervenwurzel. Sobald die Substanz den Nerv lahm gelegt hat, müssten Sie eine wohlige Wärme fühlen, die sich dort ausbreitet, wo sonst Ihr Schmerz sitzt. Dann ist der Übeltäter gefunden.
Beschreiben Sie der Ärztin Ihre Empfindungen nach dieser Nervenbetäubung genau: Wie verändern sich Ihre Schmerzen in den nächsten Stunden? Verringern sie sich? Verschwinden Sie gar? In diesem Fall ist der Nerv, er den Schmerz auslöst, mit Sicherheit entlarvt. Haben Sie nach der Prozedur aber immer noch Schmerzen, muss die Ärztin Ihrer Pein mit weiteren Untersuchungen auf den Grund gehen.
Die Nadelei ist nicht ungefährlich
Die Stecherei mit der Nadel hat allerdings Risiken und Nebenwirkungen: Vielleicht reagieren Sie auf das Kontrastmittel allergisch, vielleicht entzünden sich die Nervenwurzeln wegen des Einstichs. Möglicherweise bluten Sie zu viel - die Gefahr ist noch höher, wenn Sie blutverdünnende Medikamente einnehmen. Es kann auch vorkommen, dass sich die Betäubung ausbreitet und vorübergehend Ihre Beine lähmt. Und es besteht das Risiko, dass die Nadel einen Nerv verletzt. Das heißt: Sie können - eventuell nur vorübergehend - gelähmt sein oder relativ lange Zeit ziemliche Schmerzen verspüren.
Ihr Arzt sollte Sie über all diese Risiken ausreichend informieren. Und Sie sollten - mit ihm zusammen - abwägen, ob der Eingriff wirklich sein muss. Sinnvoll kann eine solche Nervenbetäubung sein, wenn
- die bisher angefertigten Bilder Ihres Rückens die Beschwerden nicht erklären können;
- Sie mehrere Bandscheibenvorfälle hatten;
- Ihr Rückenmarks-Kanal an mehreren Stellen zu eng ist;
- Sie trotz einer Bandscheibenoperation Rückenschmerzen haben, die in Arme oder Beine ausstrahlen.
Betäubtes Gelenk: mit Glück danach schmerzfrei
Möglicherweise haben Sie auch Rückenschmerzen, weil ein Gelenk Probleme verursacht. Infrage kommen die so genannten Facettengelenke, die zwischen zwei Wirbelkörpern liegen, oder das so genannte Kreuz-Darmbein-Gelenk, das im Becken sitzt. Verdächtigt der Arzt eines dieser Gelenke als mögliche Ursache Ihrer Beschwerden, kann er sie betäuben. Ist der Schmerz dann verschwunden, kennt er den Schuldigen.
Ein Gelenk betäubt der Arzt im Prinzip genau so wie einen Nerv. Deshalb ist dieses Verfahren auch fast genauso gefährlich. Um sicher zu gehen, dass die Nadelspitze richtig liegt, injiziert der Arzt zunächst ein Kontrastmittel. Auf dem Monitor sieht er, wie es sich ausbreitet und wo die Nadel genau endet. Sitzt sie perfekt, leitet er das Betäubungsmittel durch die Nadel. Falls dieses Gelenk tatsächlich Ihre Rückenschmerzen verursacht, spüren Sie beim Einleiten des Kontrastmittels und der Betäubungssubstanz die Ihnen wohlbekannten Schmerzen.
Kurz danach sollten Sie aber annähernd schmerzfrei sein - selbst dann, wenn der Arzt Ihren Oberkörper in verschiedene Richtungen bewegt. Trotzdem wird er Sie bitten, in den folgenden 24 Stunden genau aufzuschreiben, ob Ihr Rücken Sie weiterhin quält, wann und wie heftig er das tut.
Eine Gelenkbetäubung kann sinnvoll sein, wenn
- der Arzt Ihnen geraten hat, Ihre Wirbelkörper durch eine Operation zu versteifen;
- bei Ihnen eine Kortison-Spritze ins Gelenk geplant ist;
- Sie Schmerzen haben, die ins Gesäß und den hinteren Oberschenkel ausstrahlen;
- der Arzt den Verdacht hat, dass Ihr Kreuz-Darmbein-Gelenk krank ist.
Ist das Facettengelenk allerdings schon so verschlissen, dass der Arzt mit seiner Nadel gar nicht hineinkommt, ist die Untersuchung nicht möglich.
Mit der Nadel in die Bandscheibe: nicht ganz ohne
Hat Ihr Orthopäde eine bestimmte Bandscheibe als Störenfried in Verdacht, rät er Ihnen vielleicht zu einer so genannten Diskografie. Diese Methode zeigt ihm, ob der Kern einer Bandscheibe noch in Ordnung ist. Das Verfahren gilt als veraltet, schließlich kann er dasselbe anhand einer Computer-Tomografie (CT) oder einer völlig nebenwirkungsfreien Magnet-Resonanz-Tomografie sehen. Eine Diskografie - die nicht risikofrei ist - ergibt nur Sinn, wenn der Arzt nachweisen will, dass eine ganz bestimmte Bandscheibe tatsächlich für die Schmerzen verantwortlich ist.
Bei einer Diskographie liegen Sie bäuchlings auf dem Untersuchungstisch. Dieser Tisch besteht aus Material, das Röntgenstrahlen durchlässt. Der Arzt desinfiziert Ihre Haut an der geplanten Einstichstelle, dann betäubt er die Stelle. Nun schiebt er eine etwa 15 Zentimeter lange Nadel in Ihren Körper, bis sie im Kern der betreffenden Bandscheibe angekommen ist.
Den Weg der Nadel verfolgt er an einem Bildschirm, der mit einem Röntgengerät verbunden ist - Sie werden also die gesamte Zeit geröntgt. Ist die Nadelspitze am Bandscheibenkern angekommen, leitet der Arzt ein Kontrastmittel durch die Nadel. Um zu sehen, wie sich die Substanz verteilt, macht der Arzt ein Bild mit einem Computer-Tomografen (CT). Dieses Gerät arbeitet ebenfalls mit Röntgenstrahlen.
Bleibt das Kontrastmittel im Bandscheibenkern, ist er in Ordnung. Fließt es jedoch hinaus und sammelt sich im äußeren Bandscheibenring, ist die Bandscheibe nicht mehr gesund. Dann liegt der Verdacht nahe, dass dieser zerstörte Wirbel-Puffer Ihren Schmerz verursacht.
Eine Diskografie kann Ihre Schmerzen verschlimmern
Das Einstechen in die Bandscheibe gehört nicht zu den Routine-Untersuchungen. Das heißt, der Arzt ist möglicherweise nicht sehr geübt darin. Zudem birgt die Methode Risiken. Vielleicht bekommen Sie eine allergische Reaktion wegen des Kontrastmittels. Möglicherweise verstärken sich Ihre Rückenschmerzen auch - das kann Monate anhalten. Der Nadelstich kann auch Ihre Bandscheibe entzünden, das kann ebenfalls sehr schmerzhaft werden. Die Untersuchung selbst wird Ihnen hingegen keine großen Schmerzen bereiten, allerdings tut es weh, wenn das Kontrastmittel gespritzt wird. Dagegen kann der Arzt Ihnen noch ein Betäubungsmittel injizieren.
Weil das Verfahren Risiken birgt, ist es nur unter Umständen sinnvoll:
- wenn Sie unter starken Rückenschmerzen leiden, keine Therapie geholfen hat und die Röntgen-, CT- oder MRT-Bilder Ihrer Wirbelsäule keine auffällige Bandscheibe gezeigt haben;
- wenn Sie Schmerzen haben, die in Arme oder Beine ausstrahlen und für die es bislang keine Erklärung gibt;
- Sie kurz vor einer Wirbelsäulen-Operation stehen. Ihre Ärztin wird dann vorher klären wollen, inwieweit Ihre Bandscheiben geschädigt sind und ob sie Schmerzen verursachen. Der Chirurg wird seine Operation danach ausrichten.