Sieben Millionen Patienten erleiden weltweit jedes Jahr Komplikationen durch eine Operation, eine Million davon stirbt daran. Experten der Weltgesundheitsorganisation WHO haben in einer umfassenden Studie erstmals die Gesamtzahl aller operativen Eingriffe weltweit ermittelt und kommen zu dem Schluss: Die Hälfte der Komplikationen hätte verhindert werden können. Ihre Ergebnisse präsentieren die Wissenschaftler im britischen Medizinjournal "Lancet".
Das Team um Thomas Weiser von der Harvard-Universität in Boston hatte für die Studie Operationsdaten aus 56 der 192 WHO-Mitgliedsländer aus dem Jahr 2004 ausgewertet und auf alle Länder dieser Welt hochgerechnet, denn nicht alle Länder konnten Daten liefern. Dabei wurden nur die Eingriffe gezählt, bei der Ärzte zum Skalpell greifen mussten und für die mindestens eine lokale Betäubung notwendig war.
Das Los der armen Länder
Die Auswertung macht eine klaffende Versorgungslücke deutlich: "Das reichste Drittel der Weltbevölkerung erhält fast drei Viertel aller Eingriffe, das ärmste Drittel nur 3,5 Prozent", sagt Thomas Weiser. Zugleich ist die Komplikationsrate in ärmeren Ländern deutlich höher. Denn während es in den Industrieländern bei 0,4 bis 0,8 Prozent der Eingriffe zu Todesfällen komme, liege die Sterberate in Entwicklungsländern bei 5 bis 10 Prozent, berichten die Mediziner. Und das nicht nur bei schweren Operationen: Einer von 150 Menschen verstirbt in armen Ländern nur aufgrund der Betäubung.
Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass sich mit einer Verbesserung der Behandlungsmethoden die Hälfte aller Komplikationen vermeiden lassen könnten. Eine neue WHO-Checkliste für Kliniken soll Operationen daher künftig sicherer machen. Die Liste soll dafür sorgen, dass alle Patienten mit denselben Sicherheitsstandards operiert werden. Dazu gehören einfache Kontrollen vor, während oder nach dem Eingriff. So muss ein zuständiger Arzt im Vorfeld etwa überprüfen, ob der Patient unter Allergien leidet oder ob die Schnittstelle auf dem Körper richtig markiert ist. Erst dann darf mit dem Eingriff begonnen werden. Genauso gibt es Richtlinien, die während der OP genau eingehalten werden sollten. Und zum Schluss müssen die Mediziner beispielweise noch einmal kontrollieren, ob alle Tücher, Nägel oder Operationsgeräte wie etwa Skalpelle wieder entfernt wurden.
Erste Pilotversuche waren ein voller Erfolg: Bei den teilnehmenden Krankenhäusern sei die Einhaltung dieser Standards bereits von nur rund einem Drittel (36 Prozent) auf mehr als zwei Drittel (68 Prozent) gestiegen, betont die WHO.
Insgesamt greifen Mediziner rund um den Globus pro Jahr 234,2 Millionen Mal zum Skalpell. Damit gibt es doppelt so viele Eingriffe wie Kinder geboren werden. Nachdem die Versorgung von Mutter und Kind bei der Geburt schon erfolgreich verbessert wurde, sei es nun an der Zeit, sich auch um die Sicherheit bei Operationen und die richtige anschließende Pflege zu kümmern, schreiben die Wissenschaftler.