"Altern wie ein Gentleman" Ein Rentner sucht den Durchblick

"Altwerden ist nichts für Feiglinge", meint Joachim Fuchsberger in seinem Buch. Der langjährige ARD-Journalist Sven Kuntze will als Rentner dagegen "Altern wie ein Gentleman". Die echten oder vermeintlichen Rezepte dafür hat er jetzt ebenfalls in einem Buch zusammengefasst.

Sven Kuntze ist ein nicht ohne Selbstironie geschriebenes, ebenso vergnüglich zu lesendes wie auch nachdenklich machendes Buch gelungen. Es ist ein oft mit klugen philosophisch-hintergründigen Gedanken angereichertes Werk über seine ersten Erfahrungen als "Jung-Rentner" jener "Vierziger", wie er sie nennt, also in den 1940er Jahren geborenen Altersgenossen.

Vielleicht hat der in Berlin lebende Autor das erste Tagebuch über die erste Zeit eines bis dahin vollbeschäftigten Mannes nach Eintritt in das Rentenalter überhaupt geschrieben, wozu auch ein mehrmonatiger Probelauf in einem Altenheim gehört. Da ist zunächst einmal das neue Zeitgefühl, denn "wir Alten sind bis an die Zähne mit Zeit bewaffnet" und werden "entweder von ihr getragen oder ertrinken in ihr". Kuntze sieht denn auch eine "diffuse Furcht der älteren Kollegen vor freier Zeit und die Angst zu verlieren, was ihnen zur zweiten Natur geworden war: ihre Arbeit und die damit verbundene Anerkennung".

"Altern wie ein Gentleman - Zwischen Müßiggang und Engagement"

Von Sven Kuntze
C. Bertelsmann
Preis: 19,99 Euro

"Kehr niemals zurück, du störst"

Allerdings sind für den Rentner Kuntze auch "die Zeiten couragierter Auseinandersetzungen mit dem Chef, den Kollegen, der Konkurrenz und neuer Technik Vergangenheit". Und vermisst wird er an seinem alten Arbeitsplatz bald auch nicht mehr. "Kehr niemals zurück, du störst", hat ihm seine Mutter schon früh mit auf den Weg gegeben. Und der langjährige ARD-Korrespondent in Bonn, Berlin und New York meint rückblickend, er habe übersehen, wie oberflächlich, zweckgerichtet und flüchtig die berufliche Verbundenheit oft sei.

Das Buch ist auch eine heiter-ironische Abrechnung mit der in seiner Generation früher weit verbreiteten Suche nach Selbstverwirklichung und den "Kunst-kann-jeder"-Bewegungen. Mit Rentenbeginn würden sich manche dieser Vorstellungen wieder zu Wort melden und auf Erfüllung drängen. "Es wird selten gelingen, aber man ist gut und sinnvoll beschäftigt." Vor allem aber: "Neue Lebensformen wie etwa die Langsamkeit können erschlossen werden." Kuntze lernt wieder Schlendern und Flanieren und studiert Standardwerke wie die "Anleitung zum Müßiggang".

Etwas weitschweifig sind manchmal die philosophisch-soziologischen Betrachtungen, für die der studierte Soziologe und Psychologe Kuntze bedeutungsvolle Namen heranzieht, von Nietzsche und Karl Marx über Max Weber bis Ernst Bloch. Dabei geht der ansonsten meist wunderbar leichte Ton des Buches manchmal verloren.

Der Preis des gekündigten Generationenvertrages

Es ist auch ein offenherziges Buch über die neue Generationenfrage. "Meine Generation ist im Vergleich mit der meiner Eltern im Schlafwagen in Rente gekommen", meint Kuntze. Es gehe seiner Generation im Alter besser als je einer zuvor in der langen Geschichte der Menschheit. "Es hat sich bislang gelohnt. Wir haben flott gelebt und wenig ausgelassen."

Aber der Autor macht auch die "ganz große Rechnung" auf, wenn er meint, dass seine Generation über die Verhältnisse ohne Rücksicht auf die Zukunft der Kinder und Enkelkinder gelebt habe. Wenn diese sein Buch später durchblättern würden, "käme ihnen das Rentnerleben meiner Generation vermutlich wie die Geschichte vom verlorenen Schlaraffenland vor". Dafür muss Kuntzes Generation wegen der niedrigen Geburtenrate vielfach auch schon ohne Enkel alt werden. "Die Kündigung des Generationenvertrages - das bequeme Leben ohne Kinder - fordert jetzt unerbittlich ihren Preis."

Und außerdem muss auch Kuntze seinem Altersdasein erst einmal ins Gesicht sehen. "Man bleibt weder jung noch schön und selten gesund." Es gelte, sich damit abzufinden und das Beste daraus zu machen.

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Wilfried Mommert/DPA