Der ägyptische Literaturnobelpreisträger Naguib Mahfus ist tot. Sein Arzt Hossam Mowafi erklärte, der 94-Jährige sei am Morgen im Krankenhaus gestorben. Seine Ehefrau sei bei ihm gewesen. Mahfus, der in seinen Romanen vom Leben in seiner Heimatstadt Kairo erzählte, war vor mehr als einem Monat mit Kopfverletzungen ins Krankenhaus eingeliefert worden.
Der Ägypter Mahfus war nicht nur ein großer Romancier und der erste Araber, der den Nobelpreis für Literatur erhalten hat. Der kleine Mann mit der großen Brille verkörperte auch all das, was an seinem Heimatland Ägypten liebenswert ist. Nagib Mahfus war bescheiden, kreativ, hatte einen großartigen Sinn für Humor und liebte die Gesellschaft anderer Menschen. Seine Neugierde auf die Menschen, die ihn umgaben, war letztlich auch der Schlüssel zu seinem Erfolg. Denn mit seiner Beobachtungsgabe und seiner Art, die Emotionen und Schwächen von Menschen aus verschiedenen Milieus darzustellen, eröffnete er dem arabischen Roman, der bis dato ein Stiefkind neben der Poesie war, neue Dimensionen.
Weisheit und Bescheidenheit
Für seinen Freund und Schriftstellerkollegen Gamal al-Ghitani war er die Verkörperung des "guten Mannes", der die Menschen durch Weisheit und Bescheidenheit für sich einnimmt. Auch, wenn die internationale Anerkennung erst Jahrzehnte später kam: Seine wichtigsten Werke verfasste Mahfus in den 50er und 60er Jahren. Dazu zählen die Kairoer Trilogie und "Miramar". Sein umstrittenster Roman ist "Die Kinder unseres Viertels" (1959), in dem es um den Konflikt zwischen Wissen, Glauben und falschen Heilsversprechen geht. Das Al-Azhar Islam-Institut in Kairo verbot die Veröffentlichung des angeblich blasphemischen Werkes. Der Streit holte Mahfus, der selbst ein liberaler Muslim war, 35 Jahre nach der Vollendung des Romans ein: Ein fanatischer Islamist, der das Buch angeblich nicht einmal gelesen hatte, lauerte dem greisen Schriftsteller auf und stach ihn mit einem Messer in den Hals. Mahfus überlebte den Attentatsversuch schwer verletzt.
Mahfus, der 1911 in der Kairoer Altstadt als siebtes Kind einer Familie aus kleinbürgerlichem Milieu geboren wurde, war ein typischer Ägypter, der seine Heimat über alles liebte und kaum jemals einen Fuß auf ausländischen Boden setzte. Anstatt durch die Welt zu reisen, suchte er lieber Inspiration in Büchern, in den Straßen von Kairo, im Teehaus oder bei seinen regelmäßigen Treffen mit anderen Intellektuellen. Selbst den Nobelpreis mussten 1988 seine Töchter für ihn abholen. Von dem Preisgeld stiftete Mahfus einen Teil für Hilfsprojekte in den Palästinensergebieten, den Rest erhielt seine Familie.
Großer Sinn für Gerechtigkeit
Mahfus war ein politischer Mensch. Er war weniger radikal als viele seiner arabischen Schriftstellerkollegen, die zum Großteil weiter links standen und in Bezug auf Israel eine kompromisslosere Linie vertraten. Selbst als er wegen seines Augenleidens nicht mehr selbst schreiben konnte, verfasste er noch politische Kommentare, die sein Freund, der Journalist Mohammed Salmawi, für ihn zu Papier brachte. Darin war immer sein großer Sinn für Gerechtigkeit spürbar. Belastet hat ihn unter anderem, wie sich die Welt durch die Terroranschläge vom 11. September 2001 und die amerikanische Reaktion auf den Terror veränderte.
Als alter Mann, der kaum noch sehen und hören konnte, verfasste Mahfus vorwiegend Kurzprosa. Unter anderem schrieb er mit Hilfe seines Freundes seine Träume auf. Fast schien es so, als wolle sich der wache Geist des ägyptischen Schriftstellers nicht von dem gebrechlichen Körper unterkriegen lassen. Mahfus war auch niemand, der sich sonderlich um den Rat seiner Ärzte scherte. Und seine Freunde hatten viel zu viel Respekt vor dem Altmeister des arabischen Romans, als dass sie es zum Beispiel gewagt hätten, ihn zu ermahnen, wenn er sich mit seinen mehr als 90 Jahren noch eine Zigarette ansteckte.