Portrait Stephan Thome Der Experte fürs Straucheln und Scheitern

2009 war er der "große Unbekannte" in der deutschen Literatur. Nun steht bereits sein zweites Buch "Fliehkräfte" auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises. Ein Kurzportrait über Autor Stephan Thome.

Stephan Thome schneite als "großer Unbekannter" in den deutschen Literaturbetrieb. Nach langen Jahren im Ausland schaffte er es 2009 mit seinem vielgelobten Debüt "Grenzgang" auf Anhieb in die Endrunde zum Deutschen Buchpreis. Auch sein zweites Buch "Fliehkräfte" steht jetzt auf der Shortlist.

1972 im hessischen Biedenkopf geboren, hatte Thome - damals noch bürgerlich Stephan Schmidt - nach Abitur und Zivildienst in Berlin Philosophie, Religionswissenschaft und Sinologie studiert. Schon während des Studiums lebte er je ein Jahr in China, Taiwan und Tokio.

Nach der Promotion ohne Job, einige abgelehnte Manuskripte in der Schublade, ging er 2005 als Wissenschaftler und Übersetzer nach Taiwan. "Es gab eine Zeit, in der ich wusste: Es besteht die ganz reale Möglichkeit, dass mein Leben scheitert, so richtig scheitert", sagte Thome kürzlich.

"Das reine Glück ist ja nicht romanfähig"

Sechs Jahre bleibt er in Taipeh. In seinem dort entstandenen Debütroman "Grenzgang" beobachtet er im Mikrokosmos seiner Heimatstadt eine geschiedene Mutter und einen gescheiterten Hochschullehrer beim Aufklauben ihrer Lebensscherben. "Ein reifes Debüt", befand die Kritik, "ein Meister der Dialogkunst". Die großen US-Vorbilder Philip Roth, Jonathan Franzen oder Richard Ford lassen grüßen.

Auch in seinem neuen Buch "Fliehkräfte" geht es um einen Menschen, der den Boden unter den Füßen verloren hat. Er selbst sei jedoch nicht schwermütig, nur nachdenklich, versichert Thome. "Das reine Glück ist ja nicht romanfähig."

Stephan Thomes "Fliehkräfte" erzählt die Geschichte von Hartmut Hainbach - und der steht unter Stress. Der gesetzte Philosophieprofessor beleidigt eine Spendensammlerin, er verletzt seine Frau bei Streitereien bis ins Mark und leidet unter hartnäckigem Tinnitus. Grund allen Übels: Der Endfünfziger findet einfach keine Antwort auf die Frage, wie es mit ihm weitergehen soll. Thome beschreibt diesen akademischen Jedermann in nüchtern-liebevoller Sprache. Ihm gelingen mit wenigen Worten präzise Charakterzeichnungen und lebhafte Entwürfe literarischer Bühnenbilder in Paris, Bonn und Portugal. Einzig die ständig wohldurchdachte Reflexion aller Figuren wirkt bisweilen etwas didaktisch - ansonsten: ein großer Wurf.

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