Wohl kaum ein neuer Roman hat in diesem Frühjahr so begeisterte Reaktionen ausgelöst wie Feridun Zaimoglus "Der Liebesbrand". "Wessen Herz noch schlägt, der wird sich in dieses Buch verlieben", schrieb die "taz" und schlug damit den Ton an für eine Serie fast einhelliger Lobpreisungen. Nicht umsonst war Zaimoglu mit seinem Buch für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert. Zaimoglus Geschichte über die nicht unbedingt erfolgreiche Jagd eines bis an die Halskrause verliebten Mittdreißigers auf Erwiderung seiner Gefühle begeisterte die "Frankfurter Rundschau" als "großes, tragisches, menschliches Theater". Die "Süddeutsche Zeitung" freut sich über den "unangestrengt wiederbelebten Ton der Romantik, mit dem Zaimoglu die Erschöpfungssymptome zeitgenössischer Prosa einfach vom Tisch wischt."
Bibliografische Angaben
Feridun Zaimoglu, "Der Liebesbrand". Roman
Verlag Kiepenheuer & Witsch
375 Seiten
19,95 Euro
Dass der 43-jährige Zaimoglu einen türkischen Geburtsschein hat, spielt in diesem Buch nur beim Einstieg eine Rolle. Der Ich-Erzähler überlebt - wie der Autor in seinem realen Leben vor knapp zwei Jahren - mit viel Glück einen schweren Busunfall in der Türkei. Zur Glücksfee im Roman wird eine unbekannte Deutsche, die dem Verletzten Erste Hilfe leistet, um dann in ihrem Wagen mit dem Kennzeichen NI zu verschwinden. Das steht für Nienburg, wie der im "Liebesbrand" entflammte David nach seiner Genesung herausfindet. Er macht sich auf den Weg in die nicht unbedingt als Hort der Romantik bekannte niedersächsische Kleinstadt. Die Angebetete namens Tyra erweist sich als verheiratet, was aber der Erotik für eine Nacht nicht im Wege steht.
Dass sie den Börsenmakler mit genug Geld für längeren Müßiggang mit einer brutalen Zettel-Mitteilung morgens im Hotelbett alleinlässt ("Ich will dich nicht näher kennenlernen. Es bleibt bei dieser Nacht. Werben ist zwecklos."), entfacht Sehnsucht und Begierde beim Verliebten nur noch mehr. Die Abweisung kommt bei ihm nicht an. Folgerichtig werden weitere Stationen im Spiel zwischen gegenseitiger Anziehung und Abstoßung Prag und Wien sein, wohin David seiner Angebeteten folgt. Das Ende soll nicht verraten werden, auch wenn die Qualität dieses Buches bestimmt nicht im Fortgang der Geschichte oder einer "raffinierten" Auflösung liegen.
Zaimoglu schafft mit verblüffend leichter Hand den Spagat, das bedingungslose Wollen des Verliebten als chaotische, anarchische und positive Kraft zu schildern, ohne die Lächerlichkeit seines Unterfangens wegzuschönen. Wirklich hohe Klasse zeigt der Autor immer wieder bei kleinen Detailschilderungen am Rand, mal witzig, mal ein bisschen böse, mal melancholisch, aber immer sprachlich brillant. Die Personengalerie ist bunt, die Szenerie mit komischer Männerkungelei im türkischen Krankenhaus, Bordellbesuch und Gebrauchtwagen-Kauf im "Räubernest" Neumünster abwechslungsreich.
Wer beim Etikett "Romantik" wegen Erinnerungen an Eichendorff-Verse aus der Schule eher zurückzuckt, kann mit einem schönen Rat von Davids bestem Freund an den im Liebessumpf mit dem Untergang Ringenden beruhigt werden: "Diese Tyra ist kein abgerichteter Floh, sagte Gabriel, ich bitte das zu bedenken."