"Sie ist sogar freundlich zu Negern!", lobt eine Frauenillustrierte Mrs. Whitaker, die Gattin eines bekannten Geschäftsmannes und eine Bilderbuch-Hausfrau und -Mutter, über die das Blatt eine "Home Story" veröffentlicht. Im vollkommen unironischen Melodram "Dem Himmel so fern" entführt uns eine Zeitmaschine in einen amerikanischen Vorort an der Ostküste gegen Ende der 50er Jahre, eine Epoche, in der Frauen fest gesprühte Beton-Frisuren trugen und Rassismus noch gesellschaftsfähig war.
In der Art von Douglas Sirk
Zu schwülstigen Orchesterklängen fährt die Kamera über leuchtend grünem Rasen auf eine Vorzeigevilla zu, deren Bewohner den amerikanischen Traum verwirklicht zu haben scheinen. Wie ein (Alp-)Traum von Douglas Sirk wirkt diese Technicolor-Fabel in satten Studio-Farben, und ausdrücklich beruft sich Regisseur Todd Haynes - obwohl er Themen aufgreift, die damals tabu waren - auf diesen Meister des Hollywood-Melodrams der 50er Jahre, der zum Beispiel auch Rainer Werner Fassbinder und Pedro Almodóvar inspirierte.
Stereotype Figuren mit überzeitlicher Wahrheit
Die Kunst von Haynes, der schon in seinem Glamrock-Musikfilm "Velvet Goldmine" das Sein durch Design erklärte, besteht darin, eben keine Parodie von Sirks Gesellschaftsdramen gedreht zu haben. Sirks Stilgrammatik und berauschende Farbpalette sind stattdessen Ausdrucksmittel, um den stereotypen Figuren eine überzeitliche Wahrheit zu verleihen: Trotz einer gewissen Kühle und Konstruiertheit kann dieses elegische Hochglanzdrama mit seinen Problemen, die zunächst wie Schnee von gestern erscheinen, auch heutige Zuschauer ergreifen.
Naive Zierpuppe
So gibt es keinen Grund zu lachen, wenn das makellose Modell einer weißen Mittelstandsfamilie, wie frisch entsprungen aus einem "Life"-Magazin der 50er, durch die Problemballung Schwul und Schwarz bedroht wird: Der überlebensgroße Kitsch und die gewollte Künstlichkeit der Inszenierung lassen die Tragik von Cathy Whitakers Existenz erst recht hervortreten. Wie eine Rüstung trägt die junge Matrone ihre Petticoats und Korsetts; eine naive Zierpuppe, stets perfekt geschminkt und onduliert, der Julianne Moore liebenswürdig-zurückgenommene Züge verleiht.
Erschütterung der heilen Welt
Inspiriert ist der Film von Sirks "Was der Himmel erlaubt", in dem sich eine ältere Frau in ihren Gärtner verliebt. Doch Mrs. Whitakers Gärtner ist schwarz, und ihr Umgang mit ihm beschränkt sich auf freundliche Gespräche. Cathys beste aller Welten wird erschüttert, als sie ihren Mann beim Knutschen mit einem anderen Mann entdeckt. Ob Elektroschocks helfen, die "Krankheit" zu besiegen, wie der Psychiater vorschlägt?
Abgrund an Boshaftigkeit
Der nette Gärtner tröstet sie, als sie weint, und sie geht mit ihm spazieren. Das reicht, um bösartigen Klatsch loszutreten und Cathy gesellschaftlich zu isolieren. Hinter der besonnten Fassade tut sich ein Abgrund an Boshaftigkeit auf. Man muss Sirks Filme jedoch nicht kennen, um sich in den Sog dieses Dramas ziehen zu lassen: Jede Einstellung ist ein Gemälde, jeder Augenblick eine blank polierte Miniatur.
Die absinthgrüne Bar, in der Frank Whitaker - der Ehering funkelt - einen Liebhaber findet, Cathys zur Tapete und zur Farbe der Herbstblätter passende Kostüme und die bis in den Abspann durchgestylten Bilder sind ein honigsüßer Augenschmaus, der zugleich süchtig macht und irritiert. Denn diese sterile Schaufensterwelt ist von latenter Hysterie durchdrungen: Selten hat die Form den Inhalt so dominiert wie hier.
Großartige Darsteller
Und wo die Weißen einen Swimmingpool, in den ein schwarzes Kind seinen Fuß gestreckt hat, fluchtartig verlassen, ist auch Gärtner Raymond, egal wie rasiert und wohlerzogen, ein Schönheitsfleck im keimfreien Paradies, den es auszumerzen gilt. Die Farbkompositionen sind vielsagender als die Dialoge, so dass die Darsteller untertreiben dürfen: Ein verquälter Dennis Quaid als heimlicher Homosexueller und Familienvater, der sich entzieht, ist ebenso großartig wie Dennis Haysbert als untadeliger "Farbiger", der mit Onkel-Tom-haftem Langmut Demütigungen erträgt.
Oscarreife Vorstellung von Julianne Moore
Besonders Julianne Moore gibt eine oscarreife Vorstellung: Cathy ist ein Gesamtkunstwerk an Selbstverleugnung, eine Ikone unerfüllter Sehnsucht, die zu spät ihre Unmündigkeit erkennt. Ein grausam schönes Drama über eine schlechte alte Zeit, die der unsrigen nicht allzu fern ist.