"Im Tal von Elah" Die Grausamkeit des guten Menschen

Vor vier Jahren hat Paul Haggis in "L.A. Crash" den Rassisten gezeigt, der in uns allen steckt. In seinem neuen Film "Im Tal von Elah" ist es der Soldat, der entgrenzte Mensch, den der Krieg gebiert, und der zuhause mit dem Frieden nicht fertig wird. Denn die Schlacht hat das "homeland" längst erreicht.

Da helfen nicht mal die alten Geschichten, selbst die Bibel macht keinen Sinn mehr angesichts der Realität des Krieges: Wenn der alte Mann am Bett eines Kindes sitzt und ihm davon erzählt, wie der kleine David den Riesen Goliath im Tal von Elah besiegte, ist das ein vertrautes Bild, eines das Sicherheit geben soll. Doch dann fragt das Kind nach dem Sinn, und plötzlich hört man es krachen im Gebälk des Wertesystems: "Aber David war doch ein kleiner Junge, wieso wird ein kleiner Junge in die Schlacht geschickt? Hatte der denn keine Angst?"

Natürlich hatte er die. Und diese Angst wird ihn verändert haben, so wie sie jeden Menschen verändert, der in den Krieg ziehen muss. "Man lässt sie ganz nah rankommen, und dann macht man sie fertig. So kämpft man mit Monstern", versucht es der Alte noch einmal mit der Tradition des harten Kerls, als der Junge will, dass die Tür zum Zimmer ein bisschen offen bleibt. Doch kurz darauf muss er selbst lernen, dass es keine Monster gibt. Denn es sind immer nur Menschen, die sich an den Fronten gegenüber stehen.

Überlebt, um zu sterben

Auf fast verwirrende Art leise und exakt spielt Tommy Lee Jones diesen Kriegsveteranen, der auf die schlimmste Art erfahren muss, dass die Welt nicht mehr seiner Vorstellung von ihr entspricht: Sie nimmt ihm seinen Sohn. Es ist das zweite Kind, das seine Frau und er an den Dienst fürs Vaterland verlieren. Dabei hatte er doch gerade erst überlebt.

Mike war nach einem Einsatz im Irak auf Heimaturlaub, als er plötzlich verschwand, und während der linientreue, Old-school-Vater noch in Stripbars nach ihm sucht, findet die Polizei eine zerstückelte und verbrannte Leiche. "Das ist alles, was von meinem Sohn übrig geblieben ist?", fragt die Mutter, bevor sie zusammenbricht. Damit es nicht so ist, macht sich der Vater auf die Suche nach dem Wie und Warum des Todes im "homeland", für dessen Sicherheit der Junge gerade noch ein fremdes Land besetzt hat.

Nach der Schlacht

Wie auch schon in seinem mit dem Oscar für den besten Film ausgezeichneten "L.A. Crash" erzählt Haggis die Geschichte dieses Columbo 2.0 in der Art eines Puzzles. Bilderfetzen, die scheinbar unverbunden durch die Geschichte fliegen, fügen sich ein, einzelne Worte finden zu ganzen Sätzen zusammen, weil der Vater hartnäckig und armeekundig immer weiter fragt und bohrt. So entsteht langsam vor dem Auge des Betrachters das ungeheuerliche Ganze. Das, was man vielleicht lieber gar nicht gesehen hätte. Dabei ist es einfach nur die Realität.

"Wir tragen alle eine Verantwortung, die Wahrheit ans Licht zu bringen, Journalisten wie Künstler", sagt der Regisseur, der für Eastwood unter anderem die Drehbücher zu den beeindruckenden Pazifikkriegs-Filmen "Flags of our Fathers" und "Letters from Iwo Jima" geschrieben hat. Und dazu müsse man immer wieder das eigene Handeln in Frage stellen: "In dem Augenblick, wo wir uns unserer selbst sicher sind, gehen wir unter. Wenn man sich sicher ist, ein guter Mensch zu sein, wird man Grausamkeiten begehen." Genau darum geht es in "Im Tal von Elah": Was wird aus dem kleinen David, nachdem er Goliath getötet hat? Und was wird aus denen, die ihn in die Schlacht geschickt haben?

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