"Matrix Reloaded" Trivialphilosophie, Kung Fu und ein verirrtes Vollweib

Es gab viel Geheimnistuerei um und noch mehr Vorschusslorbeeren für den Film "Matrix Reloaded". Die hohen Erwartungen kann die Fortsetzung des Kultfilms "Matrix" jedoch nicht erfüllen.

Es gab viel Geheimnistuerei um und noch mehr Vorschusslorbeeren für den Film "Matrix Reloaded", der ab 22. Mai in die Kinos kommt. Eine geschickte Werbekampagne hatte extrem hohe Erwartungen für die Fortsetzung des internationalen Kinohits "The Matrix" aus dem Jahr 1999 geweckt. Damals war die von den Brüdern Larry und Andy Wachowski geschriebene und inszenierte Mischung aus schwerelos choreografierter Kampf-Action, mythologisch grundierter Computerwelt und vielschichtiger Handlung mit philosophisch-religiöser Ambition eine Sensation.

Wer "Matrix" nicht verstanden hat, braucht es bei "Reloaded" erst gar nicht versuchen

Dazu trug natürlich auch die etwas komplizierte, aber faszinierende Grundidee bei, die Menschen des 22. Jahrhunderts als von Maschinen versklavte Opfer zu zeigen, die nur über die Verbindung der Hirne mit einem ungeheuer komplexen Computerprogramm, eben jener Matrix, eine Art virtuelles Leben führen können. Keanu Reeves als auserwählter Menschheitsbefreier Neo, Carrie-Anne Moss als seine apart-kampfstarke Freundin Trinity und Laurence Fishburne als Cyber-Rebell Morpheus standen damals und stehen nun auch in der Fortsetzung im Mittelpunkt der Handlung.

Wer diese schon im ersten Film nicht verstanden hat, sollte bei "Matrix Reloaded" gar nicht erst den Versuch machen, Sinn in das reichlich verquaste Geschehen zu bringen. Denn auch wenn an manchen Stellen ebenso viel wie hochtrabend geredet wird: Es klingt nicht nur wirr und trivialphilosophisch, es wird auch - zumindest in der synchronisierten Fassung - sehr hölzern formuliert. Man kann durchaus annehmen, dass sogar die Schauspieler nicht so recht wussten, was sie da von sich geben. Nur können sie sich mit riesigen Gagen darüber hinweg trösten, der Zuschauer hingegen muss auch noch zahlen.

Etwas besser steht es um die Action-Szenen, die mit hohem Aufwand an modernstem Trickraffinement und perfekter Darbietung fernöstlicher Kampftechniken aufwarten. Fast nach Belieben wirbeln Leiber durch die Luft, lösen sich auf und materialisieren sich wieder. Allerdings kommt dabei nie auch nur entfernt Spannung auf, denn stets ist klar: Den Helden wird nichts passieren. Daran ändern auch die unzähligen Klone ihres schütterhaarigen Gegenspielers, des von Hugo Weaving gemimten Agenten Smith, überhaupt nichts. Stets lässt der mit übermenschlichen Fähigkeiten bedachte Neo eine Übermacht von Feinden mühelos durch die Gegend purzeln, torkeln und krachen.

Morpheus redet, die Masse tanzt

Dass das eigentlich sehr langweilig wirkt, muss wohl auch den beiden Filmemachern aus Chicago geschwant haben. Sie bauten eine spektakuläre lange Auto- und Motorradverfolgungsjagd auf dem Highway ein. Nur ist gerade daran überhaupt nichts futuristisch, ähnliches haben Kinogänger nun wirklich schon oft genug, wenngleich meist weniger virtuos, gezeigt bekommen. Ein merkwürdiges Einsprengsel in dem mit 136 Minuten viel zu lang geratenem Geschehen ist Neos und Trinitys Begegnung mit der französisch fluchenden Figur namens Merovignian, exaltiert dargestellt von dem Franzosen Lambert Wilson, und dessen verführerischer Frau Persephone.

Italiens Vollweib Monica Bellucci zeigt sich in dieser Rolle leider nur allzu kurz, überredet unter Trinitys misstrauischen Augen den zagenden Neo zu einem Kuss und irrt ansonsten irgendwie total deplatziert mit großem Dekolletee durch die Kulissen eines Films, in dem Maschinenwelten allemal größeren Rang haben als süßes Fleisch und zarte Seelen. Peinlich ist der Redeauftritt von Morpheus vor den Bewohnern der letzten Menschenstadt Zion geraten. Darsteller Fishburn muss da nicht nur pathetischen Stuss von sich geben, sondern auch noch Moses imitieren. Anschließend verwandelt sich die Menge zwischen den hässlichen Kulissen der Megastadt in eine tanzende Diskothekenmasse zuckender Leiber.

Da bereits im Herbst der dritte und letzte "Matrix"-Streifen ins Kino kommen soll, um wiederum Abermillionen Dollars zu schaufeln, erfährt der Besucher von "Matrix Reloaded" noch nicht, wie es Zion beim drohenden Ansturm der Killer-Maschinen ergehen wird. Aber werden nach diesem Film wirklich so viele Menschen in aller Welt gespannt sein auf den Fortgang der Geschichte? Nach dem ersten Teil sollen sogar etliche Doktorarbeiten über "Matrix" verfasst worden sein. Der zweite Teil reizt eher zu Nachrufen. Es wäre besser für den Mythos um diesen Kinohit von 1999 gewesen, er wäre nicht mit dieser Schwachstrom-Fortsetzung demontiert worden.

Wolfgang Hübner

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