Am Anfang war das Schwein. Nein, nicht ganz. Am Anfang war Itchy, die Maus. Sie wird Präsident, muss sich allerdings von Scratchy, der Katze, mit einer beachtlichen Zahl von Atombomben entledigen. Erst dann bringt Homer das Schwein ins Spiel, bastelt einen Jauchesilo, schüttet ihn in den gerade von Lisa vorm Umkippen geretteten Springfieldsee und ... Puh.
Es heißt, eine Simpsons-Folge nachzuerzählen dauert genauso lang, wie die Folge selbst. Was Wunder, bei all dem dort stattfindenden Wahnsinn, gespickt mit Zitaten über Nietzsche bis zu den Spice Girls, angedickt durch Anspielungen auf Evangelikale, Ökoaktivisten oder das europäische Gesundheitssystem, nebst hanebüchenen Witzen und krudem Klamauk. Jede Simpsons-Episode ist ein wilder Ritt durch die Kulturgeschichte. Und das in nur 22 Minuten.
Und jetzt kommt es, nach 400 Fernseh-Episoden und vierjähriger Arbeit, noch dicker. Beziehungsweise länger - ein ganzer Film über die gelbe Sippe aus Springfield. Mit all dem Aberwitz, den Schmäh-Streubomben, der ätzenden Häme, der Gotteslästerung und dem obligatorischen jüngsten Gericht. Und das alles auf anderthalb Stunden. Wo soll man da anfangen?
Vielleicht hier: Matt Groening, der Erfinder der Simpsons, sagte jüngst in einem Interview, dass schon eine TV-Sendung genug Ereignisse für einen Actionfilm enthielte. "Überträgt man das Tempo auf 90 Minuten, wäre das zuviel für die Zuschauer." Also drücken die Simpsons-Macher ein wenig auf die Bremse, und erzählen lieber eine, naja, tiefgründige Geschichte. Eine, die die insgesamt 87 Film-Minuten tragen soll, wie Serienchef Al Jean im Interview mit stern.de sagt.
Spätestens seit Anfang des Jahres das Datum für den Filmstart bekannt gegeben wurde, konnte die riesige, aber manchmal auch pedantische Fangemeinde der Simpsons nicht länger an sich halten und mutmaßte das Blaue vom Himmel, was die vermeintliche Handlung betrifft. Auch, oder gerade weil die Macher ein Mordsgewese darum machten und beharrlich schwiegen. Vermutlich wäre es einfacher gewesen, die Druckfahnen des letzten Harry Potter-Bands zu ergattern als ein paar Informationsbrocken über den Simpsons-Film. Ein geschickt geschnittener Trailer, der ins Internet gestellt wurde, heizte die Gerüchteküche und den Appetit noch weiter an.
Natürlich war die ganze Geheimniskrämerei vor allem gut dosierte PR. So wie der Wettbewerb zwischen 14 real existierenden Orten namens Springfield, die sich alle darum balgten, Schauplatz der Uraufführung zu sein. Den Zuschlag bekam übrigens eine 10.000-Seelen-Gemeinde im Bundesstaat Vermont. Vor allem aber haben die Autoren noch vier Wochen vor der Premiere an dem Streifen herumgebastelt und "einige grundlegende Szenen umgeschrieben", wie Al Jean sagt. Offenbar wussten die Macher lange Zeit selbst nicht so genau, was sie da eigentlich treiben.
Der geneigte Anhänger muss sich umstellen
Geschadet hat es nicht. Allerdings muss sich der geneigte Anhänger etwas umstellen, denn die Simpsons kommen im Kinofilm tatsächlich behäbiger daher. Was kein Nachteil sein muss. So bleibt hier und da mehr Zeit für wunderbare Sätze. Etwa als Chef der US-Umweltbehörde über seine Motivation spricht und so die Selbstgerechtigkeit amerikanischen Mäzenatentums offenbart: "Die Gesellschaft hat mir soviel gegeben und mich reich gemacht. Nun möchte ich ihr etwas zurückgeben. Nicht das Geld, aber etwas."
Nur manchmal gerät die Geschichte etwas langatmig. Zwar soll nicht all zuviel verraten werden, aber die Szenen in denen sich eine rührselige Freundschaft zwischen Bart und Ned Flanders entwickelt und sich die Ehekrise zwischen Homer und Marge zuspitzt, tut auch dem Zuschauer nicht gut. Vielleicht ist soviel Gefühl in Springfield aber auch einfach ungewohnt.
Optisch dagegen gibt es die volle Breitseite. Die Massenszenen, in denen der aufgebrachte Springfielder Mob die gesamte Familie Simpsons aufknüpfen will, sind derart detailfreudig und wuchtig, dass der Zuschauer am liebsten gleich mitlynchen will. Viele Einstellungen sind, untypisch, mit Hilfe von Computern entstanden. "Vor allem bei Straßenszenen mit vielen Autos und als etwas mit dem Haus der Simpsons passiert, haben wir die Computer bemüht", sagt Al Jean. Ansonsten sei der Film wie die Serie animiert: "Alle Figuren sind handgezeichnet und werden anschließend digital coloriert."
Gewohnt elegant, grotesk und nie zu tiefgründig
All denen, die bislang geglaubt haben, auf der Leinwand würden die Simpsons abschwächeln, sei gesagt: Den Machern ist ein ganz wunderbarer Film gelungen, der auch Nicht-Simpsons-Fans gefallen könnte. Gewohnt elegant, grotesk und nie zu tiefgründig schubsen Homer, Marge, Bart, Lisa und Maggie die Welt wieder weiter ein Stück Richtung Abgrund. Ganz gelbes Kino im mächtigen Leinwand-Look.
Und so geht's übrigens weiter: Die von Homer im See versenkte Jauche führt zu einer Umweltkatastrophe, und nur noch die nationale Umweltbehörde kann helfen. Über deren Vorgehen aber entscheidet Präsident Arnold Schwarzenegger. Und der besiegelt mit dem Satz: "Ich wurde gewählt, um zu führen, nicht um zu lesen" das Schicksal Springfields. Und dann muss Homer... Ach, besser selber angucken. Und den Abspann nicht vergessen.