Meist ist von Büchern oder Musik die Rede, die gerne mit auf einsame Inseln genommen werden würden, seltener schon von Lebenspartnern, aber niemals hört man jemanden sagen: Sonnencreme. Oder Wasser. Vielleicht blockiert eine gewisse All-Inclusive-Mentalität solche Ideen, vielleicht aber liegt es auch daran, dass die wenigsten Menschen jemals in die Verlegenheit kommen, den Rest ihres Lebens auf einer einsamen Insel fristen zu müssen.
Anders bei RTL. Der Kölner Sender schickt ab Montag, den 13. September, gleich 20 Passagiere auf ein abgelegenes Eiland in der Südsee. Ursprünglich war als Ziel der Urlauber ein sündhaft teures Sonnenparadies anvisiert. Weil sich der Pilot aber mit dem Sprit verrechnet hat, stürzt das Flugzeug ab. Über eben jener einsamen Insel, die nun für unbestimmte Zeit Heimat der 20 Überlebenden sein wird. Und über deren Schicksal RTL direkt im Anschluss von "Hinter Gittern" informiert.
Nicht so sehr bekannte Schauspieler und Quotendruck
Ursprünglich sollte "Verschollen" schon ab Frühjahr zu sehen gewesen sein, gedreht wird immerhin schon seit zehn Monaten und im August dieses Jahres waren bereits 22 Folgen im Kasten, doch der Kölner Sender hat den Start immer wieder verschoben. Vielleicht war sich RTL unsicher, ob das nahezu unbekannte Schauspieler-Ensemble beim Zuschauer ankommt. Einen Flop kann sich die TV-Station jedenfalls nicht mehr leisten. Dazu rückt die öffentlich-rechtliche und die private Konkurrenz dem Marktführer zu sehr auf die Pelle. Oder wie ein Sender-Mitarbeiter bei der Serien-Präsentation sagt: "Das Format macht eine Quote von 20 Prozent und basta - diese Zeiten sind bei uns vorbei."
Trotzdem oder gerade deswegen wird von der Drama-Serie nichts weniger als die Wiederholung der Erfolgsgeschichte von "Hinter Gitter" erwartet: Ein nicht enden müssender Dauerbrenner, der stetige Werbeeinahmen garantiert. Und nebenbei ehemals unbeschriebene Blätter wie Katy Karrenbauer in Promis verwandelt.
Südseesonne und Meer kommen vom Band
Am Herstellerteam zumindest hat RTL nicht gespart. Die "Teamworx Produktion für Kino und Fernsehen" hat zuletzt den viel gelobten ARD-Film "Stauffenberg" produziert. Der Regisseur kommt von "Gute Zeiten, schlechte Zeiten". Gedreht wird, natürlich, nicht an Originalschauplätzen, sondern in Köln-Ossendorf. In dem 2000 Quadratmeter großen Studio wurde eine komplette, einsame Insel samt Sand, Dschungel und Felsformation aufgebaut. Die Südseesonne und das Meer kommen unverkennbar vom Band.
Macht aber nichts, seinen Reiz soll "Verschollen" aus der Tabula-Rasa-Lage ziehen, in der sich die 20 Abgestürzten, darunter ein in die gleiche Frau verliebtes Brüderpaar, die Frau, ein Trinker, ein blockwartiger Ex-Polizist befinden. Gestrandet auf einer unbewohnten Insel mit knappem Wasservorrat, wenig Essbarem, fehlenden Zahnbürsten und Sonnencremes müssen sich die Neu-Insulaner ihre Welt neu erfinden.
Sendetermin
"Verschollen" startet am 13. September um 21.15 Uhr mit einem 90-minütigen Pilotfilm. Anschließend zeigt RTL wöchentlich 26 Folgen in zwei Staffeln. Jeweils Montags um 22.15 Uhr.
"Wir können mit 'Verschollen' die ganze Menschheitsgeschichte neu erzählen", sagt Produzent Joachim Kosack großspurig. Recht hat er. Frei nach Pippi Langstrumpfs Motto "Wir machen uns die Welt, wie sie uns gefällt" haben die Absturzopfer nun die einmalige Chance dazu, die ganz großen Fragen der Menschheit durchzuspielen. Wie frei sind Gedanken? Hat der Stärkere immer Recht? Gibt es geborene Führer? Gehört alles allen oder niemandem? Wie und warum entstehen Werte? Brauchen wir Regeln? Und falls ja wie viele? Was tun, wenn sich jemand nicht an sie hält?
Beispiel Kannibalismus: Wenn das Essen knapp ist und die Lage ausweglos, soll das schon vorgekommen sein. Auch die Drehbuchschreiber hatten diese Idee selbstverständlich. "Aber das ist noch kein Thema", sagt Hauptdarstellerin Sylke Hannasky. Noch heißt zwar nicht nie, aber nach dem jetzigen Stand der Dinge werden solche Eisen eher nicht angefasst. Verständlich, dem klassischen RTL-Zuschauer dürstet es am Montagabend kaum nach Menschenessern oder akademischen Handlungssträngen. Nach jetzigem Stand der Dinge werden eher die großen und kleinen menschlichen Dramen abgearbeitet. Liebe, Eifersucht, Verrat, Intrige, Lust und Schmerz. So gesehen hat "Verschollen" auch nicht viel von Menschheitsgeschichte sondern mehr vom "Dschungelcamp". Nur in Echt. Sozusagen.