Filmstart "Lebanon" Im rollenden Sarg durch den Krieg

Auf seinen ersten Kriegseinsatz ist niemand vorbereitet, auch Assi, Shmulik, Herzl und Yigal. Die vier blutjungen Soldaten aus Israel sollen in einem Panzer eine feindliche Stadt auskundschafte. Doch die Mission entwickelt sich zu einem Höllentrip.
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"Lebanon"

Im Sommer 1982 fand der erste Libanon-Krieg der israelischen Streitkräfte statt. Einer der Soldaten war der damals 20-jährige Samuel Maoz, der über seine traumatischen Erlebnisse einen Film mit dem Titel "Lebanon" gemacht hat, der im vergangenen Jahr den Goldenen Löwen des Filmfestivals in Venedig gewann und nun ab dem 14. Oktober in den Kinos zu sehen ist. Maoz, der für Drehbuch und Regie verantwortlich ist, konfrontiert die Zuschauer dabei in selten intensiver Weise mit den Schrecken des Krieges.

Erzählt wird die Geschichte einer vierköpfigen Panzerbesatzung: Assi ist der unerfahrene Kommandant, Shmulik der Richtschütze, Herzl der Ladeschütze und Yigal der Fahrer des Panzers. Alle Insassen sind blutjung, es ist ihr erster Kriegseinsatz, und sie sind völlig unvorbereitet auf die Extremsituationen, die ihrer harren. Denn ihr Auftrag, eine feindliche Stadt, die kurz zuvor bombardiert worden war, auszukundschaften, wird zum Horrortrip, bei dem sie vor die Wahl gestellt werden, zu töten oder selbst getötet zu werden. Maoz zeigt das dramatische Geschehen meiste aus der Innensicht der Panzerbesatzung.

Vier junge Männer sind also in klaustrophobischer Weise gefangen in einem stählernen Ungetüm, dessen Feuerkraft Angst und Tod verbreiten, das für seine Insassen aber auch zum rollenden Sarg werden kann. Der wichtigste Schauplatz des Films wurde im Studio in Tel Aviv gebaut. Ariel Roshko, der Produktionsdesigner von "Lebanon", berichtet: "Ich wollte unbedingt an diesem Film mitarbeiten, denn meines Wissens hat es noch nie auch nur den Versuch gegeben, einen ganzen Spielfilm in so einem engen Innenraum wie dem eines Panzers zu drehen."

Der stählerne Hauptdarsteller Panzer

Roshko ist mitsamt seinem Team Eindrucksvolles gelungen: "Lecke Rohre und die Flüssigkeiten, die an den Wänden herunterliefen, schufen eine klebrige, düstere und ölige Stimmung. Wir wollten den Panzer als eine Maschine mit menschlich-monströsen Eigenschaften zeigen. Diese Vermenschlichung machte den Panzer fast zum Schauspieler." Die besondere Qualität, aber auch quälende Intensität des Films besteht darin, als Zuschauer in die Rolle eines Mitinsassen des Panzers gezwungen zu werden. Das wird nicht jeder ertragen und ist auch nur schwer ertäglich selbst für jene, die volle 93 Minuten durchhalten.

Doch genau damit vermittelt "Lebanon" das, was die allermeisten Antikriegsfilme trotz bester Absichten verfehlen, nämlich die Unerträglichkeit des Krieges, des befohlenen, organisierten und zum Selbsterhalt unausweichlichen Tötens. Ganz unabhängig von der Frage, wie berechtigt oder unberechtigt dieser Feldzug Israels war, geht es in dem zu Recht preisgekrönten Film von Samuel Maoz um existenzielle Extremsituationen und die Überforderung darin befindlicher Menschen. "Lebanon" ist ein Horrorfilm. Aber im Gegensatz zu allen Produktionen dieses beliebten Genres ein notwendiger, vom Leben und Leiden seines Schöpers erzwungener Horrorfilm.

Für Regisseur Maoz hatten die Dreharbeiten eine therapeutische Wirkung. Nicht nur seine Seele befreite sich von dem traumatischen Kriegserlebnis, sondern auch sein Körper. Maoz bekam dumpfe Schmerzen im rechten Fuß. Mit einem Schmerzmittel konnte er etliche Stunden schlafen. Nach dem Aufwachen machte er eine Entdeckung: "Ich sah mir meinen Fuß an, der noch etwas blutete, aber nicht mehr geschwollen war. neben ihm lagen fünf kleine Schrappnellsplitter - die letzten Zeugnisse des Libanon-Krieges, von denen sich mein Körper plötzlich, nach 24 Jahren, zu trennen beschlossen hatte. Ein passendes Finale für meinen bewussten Selbstheilungsprozess."

APN
Wolfgang Hübner, APN

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