Mit 14 Mark kann man einen Riesen-Eisbecher kaufen, im Schlussverkauf ein Hemd erwerben oder einem Straßenbettler eine besonders dicke Freude machen. All dies ist auf jeden Fall eine bessere Investition, als das Geld ab dem 16. August 2001 für eine Eintrittskarte in den neuen Sylvester-Stallone-Film »Get Carter - Die Wahrheit tut weh« hinauszuwerfen.
Es sei denn, man möchte zusehen, wie ein Muskelpaket ohne auch nur eine Miene zu verziehen völlig planlos durch eine wirre Geschichte tappt und nebenbei diverse Leute verprügelt.
Ort dieses Geschehens ist Las Vegas, wo Stallone als Geldeintreiber Jack Carter für Mafiabosse zunächst einem Schuldner eines Casinos die Knochen bricht. Nach wenigen Filmminuten muss Carter von Las Vegas in seine Heimatstadt Seattle aufbrechen, wo sein angeblichen nach einem Alkoholunfall verstorbener Bruder beigesetzt wird. Bei der Beerdigung wird der Gangster jedoch von seiner Familie zurückgewiesen, weil er sich die letzten fünf Jahre nicht hatte blicken lassen.
Carter will mehr über den mysteriösen Tod seines Bruders herausfinden und fängt an in der Vergangenheit zu graben. Dabei stößt er auf einen alten Unterwelt-Bekannten (Mickey Rourke), der ein Internet-Pornounternehmen führt, einen schmierigen Barbesitzer (Michael Caine) und einen jungen Computer-Mogul (Alan Cumming) mit schlüpfrigen Freizeitvergnügen.
Leider ist es dem Drehbuchschreiber David nicht gelungen, die Figuren in eine halbwegs Sinn machende Verbindung zu bringen. Stattdessen bleiben sie bizarre Gestalten, zwischen denen der muskelbepackte Held herumirrt. Stallone versucht zwar, der Gestalt des einsamen Rächers so etwas wie Verzweiflung zu verleihen, scheitert dabei jedoch auf der ganzen Linie.
Dankbar nimmt der Zuschauer dagegen die kurzen Szenen, etwa mit dem grandiosen Michael Caine an, der selbst beim bloßen Schleppen einer Whiskykiste mehr Ausstrahlung hat als Stallone. Für Caine ist es eine Wiederbegegnung mit dem Stoff, denn 1970 hat er in einer britischen Verfilmung des gleichen Romans Carter verkörpert.
Ebenso ärgerlich wie die Holterdipolter-Geschichte sind die ewigen Spielereien von Regisseur Stephen Kay. So nerven auf die Dauer hektische Schnitte, weiße Blitze und anderer technischer Schnickschnack.
Was soll uns beispielsweise eine Szene, in welcher Carter mit seinem Wagen über eine Brücke fährt, sich das Bild plötzlich um 180 Grad dreht und der Wagen über Kopf weiterfährt sagen? Etwa, dass in Carters Leben alles drunter und drüber geht?
Für hartgesottene Silvester Stallone-Fans ein akzeptabler, aber nicht gerade erstklassiger Thriller, der Rest sollte sich jedoch lieber den Kult-Klassiker »Get Carter« von 1970 aus der Videothek holen.