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Kinofilm "Der innere Kreis" Wenn die Polizei wie ein Geheimdienst arbeitet

Im inneren Kreis
Szene aus dem Dokumentarfilm "Im inneren Kreis"
© Dirk Manthey Film
In Hamburg haben verdeckte Ermittlerinnen jahrelang die linke Szene ausspioniert. Sie führten sexuelle Beziehungen, verschafften sich so Zutritt zu Wohnungen und Computern. Ein Dokumentarfilm zeigt, wie weit die Polizei geht - und was das mit Bespitzelten macht.

Am Anfang des Films: "Im inneren Kreis" von Hannes Obens und Claudia Morar wird der erste Absatz aus Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention eingeblendet: "Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung, ihrer Korrespondenz." Im Film geht es um den Einsatz verdeckter Ermittler, vor allem in Hamburg, wo in den letzten Jahren drei Polizistinnen aufgeflogen sind, die die linke Szene bespitzelt haben.

Kurz vor dem G-20-Gipfel in Hamburg, wo sich Anfang Juli die wichtigsten Staats- und Regierungschefs treffen, ist der Film brandaktuell: Natürlich verrät die Hamburger Innenbehörde nicht, ob sie zur Vorbereitung des Gipfeltreffens wieder verdeckte Ermittler in die linke Szene geschleust hat. Aber es wäre wohl naiv zu glauben, dass die Polizei darauf verzichtet hat.

Natürlich ist die Polizei mitunter auf verdeckte Ermittler angewiesen, um Straftaten in abgeschotteten Milieus aufzuklären. Das ist unter bestimmten Voraussetzungen völlig legal. Doch wie weit darf die Polizei bei solchen Einsätzen gehen? Dass sie in Hamburg und Heidelberg zu weit gegangen ist, zeigt der Film, der jetzt im Kino zu sehen ist.

Polizistin Iris P. spionierte vier Jahre lang, von 2002 bis 2006, die Aktivisten der Roten Flora aus. Das besetzte, ehemalige Theater gilt als Hort Linksradikaler. Anlass war ein uraltes Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit den Terroristen der Roten Armee Fraktion. Iris P. nennt sich in der Flora Iris Schneider, erzählt, dass sie im Büro eines Hamburger Kaufhauses arbeiten würde.

Polizei schleust Ermittlerin in Redaktion 

Die getarnte Polizistin mischt beim Radio des "Freien Sendekombinats" mit. Moderiert Sendungen, ist als Reporterin unterwegs. Die Polizei schleust also eine verdeckte Ermittlerin in die Redaktion ein, schert sich nicht um Pressefreiheit und Rundfunkrecht. Iris P. nimmt einen Jingle auf, wirbt 2004 für das links-alternative Schanzenfest. Das Straßenfest wird bei der Stadt nicht angemeldet. Die Veranstalter holen sich keine Genehmigung von der Behörde, zahlen keine Gebühren. "Nehmen wir uns die Straße", ruft die verdeckte Ermittlerin Iris P. den Aktivisten übers Radio zu. Eine Aufforderung zur Gewalt aus dem Munde einer Polizistin undercover? "Wer die Sprache kennt, weiß, dass das einen auffordernden Charakter hat", sagt Christiane Schneider (Linke), Vizepräsidentin der Hamburgischen Bürgerschaft, im Film. Diese Äußerung habe Iris P. "offensichtlich in Rücksprache mit ihren Vorgesetzten getätigt. Und das ist dann schon sehr problematisch. Wenn die Polizei dazu aufruft, sich die Straße oder den öffentlichen Raum zu nehmen." 

Iris P. steckt bald tief drin in der linken Szene - zu tief. "Iris war wahnsinnig charismatisch", erinnert sich Dozentin Wibke im Film und erzählt, wie sich ihre Freundschaft "in eine intimere Beziehung" wandelt. In der DDR war die "Romeo- oder Venusfalle" eine beliebte Spionagemethode der Stasi. Bei der Polizei im wiedervereinigten Deutschland scheint das nicht anders zu sein. Als falsche Freundin verschafft sich Iris P. Zutritt zu Wohnungen, nutzt den Computer ihrer "Freundin".

Noch heute, über zehn Jahre nach dem Einsatz, wirkt Wibke geschockt. "Was für mich immer wieder erschreckend ist, ist die persönliche Dimension", sagt sie im Film. "Die Grenzen, die Iris überschritten hat, um an politische Ergebnisse heranzukommen. Dass sie nicht zurückgeschreckt ist vor innigen intimen Bindungen.“ Und: "Es ist so schwierig, das so wegzustecken, weil man einfach nicht weiß, wer sie war. Was sie ernst gemeint hat und was nicht."

Persönliche Verletzungen nicht zu vermeiden

Die Filmemacher schneiden den ehemaligen Generalbundesanwalt Kay Nehm dagegen. Der Jurist wirkt nachdenklich, fast selbstkritisch. Bei solchen Einsätzen ließen sich "bestimmte Verletzungen nicht vermeiden", sagt er. Trotzdem müsse "die Frage der Grenzen bestimmt werden". Schließlich seien verdeckte Ermittler keine "Freischwimmer in der Szene".

Irgendwann verschwindet Iris P. - angeblich in die USA. Sie wird abgelöst von der verdeckten Ermittlerin "Maria Block", die für das Landeskriminalamt Hamburg von 2008 bis 2012 die linke Szene ausspioniert. Auch sie steigt offenbar mit einem Aktivisten ins Bett. Jedenfalls behauptet der Mann das. Mehrere Zeugen gibt es indes dafür, dass Maria Block sich im Vorfeld von Anti-Nazis-Demos für ein Motto ausgesprochen haben soll: „Brecht den Nazis die Beine“. Noch eine Aufforderung zur Gewalt aus dem Munde einer Undercover-Polizistin? "Sie hat bewusst versucht, Gefahren aufzubauen, damit die Polizei ordentlich zulangen kann", sagt ein Aktivist. 

Inzwischen steht fest, dass die Geheimdienstmethoden der verdeckten Ermittlerinnen rechtswidrig waren. "Ein tiefer Eingriff in die Grundrechte" sieht das Hamburger Verwaltungsgericht in den falschen Beziehungen, die Iris P. einging. Die Polizei musste auch einräumen, dass die Undercover-Polizistin die Redaktion des "Freien Sender Kombinats" nie hätte betreten dürfen.

Obens und Morar ist ein sehenswerter Film gelungen, der zeigt, wie weit die Polizei in diesem Land geht. Und was das mit den Opfern macht.

Im Übrigen haben die verdeckten Ermittlerinnen keine Terrorhelfer in der linken Szene entlarvt, wohl aber die Methoden der eigenen Behörde. Am Ende des Films wird ein Zitat von Stasi-Chef Erich Mielke eingeblendet. Er empfahl seinen Spionen, "anderen Personen unter die Haut kriechen und ins Herz blicken ..." Genau das haben die verdeckten Ermittlerinnen in Hamburg getan. 

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