"Flutsch und weg" Luxusmaus vs. Kanalratte

Von Heike Sonnberger
Roddy ist ein verwöhnter Londoner Luxusmäuserich - und völlig überfordert, als er in die Kanalisation gespült wird. Dort trifft er auf kreischende Nacktschnecken, jagt Rubine und Ganoven und findet endlich Freunde. Ein charmantes Abenteuer.

Er fährt einen Ferrari, hat blaues Blut, trägt das Jackett von Michael Jackson - und alle lieben ihn. Im Londoner Stadtteil Kensington gibt es niemanden, der cooler ist als Roddy St. James. Roddy rockt für seine Damen zu Musik aus dem pinkfarbenen Kofferradio, poppt für sie Mais in der Mikrowelle und verbringt mit ihnen romantische Autokinonächte.

Der einzige Haken: Roddys Frauen sind aus Plastik, 20 Zentimeter groß und sehen alle gleich aus. Denn Roddy ist eine Maus und seine Welt das Kinderzimmer. Er lebt in einem goldenen Käfig als Haustier eines reichen Mädchens und ist viel einsamer als er zugibt. Bis seine Besitzer in Urlaub fahren, und der Küchenabfluss Sid ausspuckt. Sid ist ein rülpsender Artgenosse direkt aus der Kanalisation, der das gerade entdeckte Paradies nie wieder verlassen will. Den überforderten Roddy spült er kurzerhand das Klo hinunter. Flutsch und weg.

Kreischende Nacktschnecken und haarlose Albinoratten

Und dann beginnt für die tollpatschige Luxusmaus das Abenteuer ihres Lebens. Denn in der Unterwelt Londons stößt Roddy auf kreischende Nacktschnecken, dekadente Kröten, eine haarlose Albinoratte aus dem Versuchslabor - und auf Rita. Die ist viel mutiger als Roddy, hat einen eigenen Kutter und eine verrückte Großfamilie und ist auf der Jagd nach einem Rubin.

Roddy entkommt mit Rita aus einem Rieseneisschrank, besiegt französische Kampffrösche, schläft zum ersten Mal in einer verwanzten Stricksocke und gewinnt sein neues Leben immer lieber. Da geht es schon längst nicht mehr um den Rubin, der sowieso nur aus Glas war, sondern um die Fußball-WM und um so hehre Dinge wie Freundschaft und Familie. Und um die Rettung der Mäusewelt, die die fette Kröte Toad vernichten will.

Kampf gegens Kaulquappenimperium

Der Film ist komplett computeranimiert und eigentlich nichts Neues. Die Fabel von der Landmaus und der Stadtmaus wurde von den Machern von "Wallace & Gromit" lediglich neu inszeniert - mit Kulleraugen wie bei "Toy Story", ein paar Nacktschnecken-Gesangseinlagen à la Disney und der von den Briten so sehr geliebten Verspöttelung der Franzosen. Der Geheimagent "Le Frosch" lässt sich fünf Stunden Zeit fürs Diner. Natürlich.

Lustig ist das alles trotzdem, und sehr charmant. Denn die Ganoven reiten auf Rührstäben, die Kakerlake hinterm Ofenrohr liest Kafka auf Französisch - "La Metamorphose", ganz klar - und das Beiboot von Ritas Kutter ist eine gelbe Quietscheente. Noch bevor Roddy und Rita die Kröte Toad und ihr Kaulquappenimperium besiegt und das London der Nager vor dem Untergang bewahrt haben, schmerzen die Lachmuskeln. Und am Ende gewinnt Deutschland die WM. Das ist zwar für den Film nicht wichtig, aber was will man mehr?

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