Lyon ist eine schöne Stadt und die junge Gabrielle eine ihrer schönsten Töchter. Das weiß ein notorischer Verführer wie der Schriftsteller Charles Saint-Denis zu schätzen. Er unternimmt alles, um die Wetterfee des lokalen TV-Senders ins Bett zu bekommen, und ist damit auch erfolgreich. Zwar ist der Starautor durchaus glücklich mit der patenten Dona verheiratet, aber in seiner kleinen diskreten Stadtwohnung treibt er es mit Gabrielle nach Herzenslust und in allen Variationen.
Allerdings gibt es noch einen anderen Mann, der nur zu gerne die Stelle von Saint-Denis einnehmen würde: der junge wie reiche Müßiggänger Paul Gaudens. Der ist gewohnt, das zu bekommen, was er haben will. Bei Gabrielle erfährt er seine Grenzen, obwohl die junge Frau durchaus Sympathien für den gut aussehenden Angeber entwickelt.
Nur eine weitere sexuelle Sensation
Sie hat aber bei Saint-Denis nicht nur sexuelle Erfüllung gefunden, sondern sich auch in den alternden Herzensbrecher verliebt. Der allerdings hegt solche Gefühle nicht, sondern sammelt nur eine weitere erotische Sensation, bis er von dieser genug hat. Für Gabrielle ist es ein Schock, von ihrem Liebhaber fallengelassen zu werden. Es ist schließlich Paul, der sie aus ihrer Depression befreit und mit ihr nach Lissabon reist, einem Wunschziel der Frau. Welche Konsequenzen das hat, zeigt Claude Chabrols neuer Film "Die zweigeteilte Frau".
Seit 1958, also einem halben Jahrhundert, liefert der inzwischen 77-jährige französische Regisseur fast im Jahrestakt eine Kinoproduktion nach der anderen ab. Und noch immer ist er ein ebenso boshafter wie sarkastischer Beobachter der bürgerlichen Gesellschaft seines Landes.
Der Blick auf diese ist im Alter etwas milder, die Vorliebe für attraktive Hauptdarstellerinnen größer geworden. Mit der kecken Sagnier, deren Nacktszenen nicht wenig zum Erfolg von Francois Ozons Film "Swimming Pool" aus dem Jahr 2003 beigetragen haben, hat er eine Darstellerin in der Rolle der Gabrielle, die sehr glaubwürdig den Männern den Kopf verdreht. Allerdings findet sie in dem egozentrischen Genussmenschen Saint-Denis ihren Meister, der seine Dominanz über die junge Frau schamlos ausnutzt.
Wahrhaftige Mordgeschichte aus dem Jahr 1906
So etwas endet in aller Regel, bei Chabrol sogar ganz gewiss - nicht gut. Die Inspiration für das Drehbuch, das Chabrol erstmals mit seiner langjährigen Assistentin Cécile Maistre verfasste, bezog der Altmeister von der exzentrischen Lebensgeschichte eines New Yorker Star-Architekten, der 1906 ermordet wurde. Dieses spektakuläre Verbrechen hat Literaten und Filmemacher schon mehrfach zu Werken inspiriert, nun also auch Chabrol.
Aber was er in Szene gesetzt hat, ist natürlich durch und durch französisch. Dafür garantiert nicht zuletzt der vielbeschäftigte Francois Berléand als abgefeimter Verführer Saint-Denis. Früher wäre diese Rolle wohl mit Sicherheit Michel Piccoli zugefallen. Doch der ist als Schauspieler dafür inzwischen zu alt. Bei Regisseuren zählen die Lebensjahre dagegen weit weniger, wie Chabrol immer wieder unter Beweis stellt. Und mit Berléand hat der Filmemacher einen glänzenden Nachfolger für einen männliche Charakter gefunden, die den Franzosen schon immer fasziniert hat und den er so beschreibt: "Er nimmt die Lust, wo er sie kriegen kann, aber er ist deswegen nicht grundsätzlich unsympathisch." Da Chabrol selbst ein ausgesprochener Genussmensch ist, kann das auch gar nicht anders sein. Hauptsache, wir Zuschauer genießen es mit.