Kurzfilm Mekka liegt in Oberhausen

Zumindest diese Woche zieht es Liebhaber kleiner, aber feiner Filme in ein nordrhein-westfälisches Städtchen. Die 49. Internationalen Kurzfilmtage in Oberhausen haben am 01. Mai begonnen.

Der Blick fällt vom Universum bis ins Leben Londoner Hochhaus-Bewohner, vom Börsencrash der Dotcom-Industrie bis auf die flüchtige Liebesgeschichte an einer Bus-Haltestelle: Der internationale Kurzfilm beweist auf seinem diesjährigen Festival in Oberhausen eine besondere Sensibilität. Auffällig, wie oft existenzielle Fragen im Mittelpunkt der 30 Beiträge des deutschen und der 70 Produktionen des internationalen Wettbewerbes stehen, die beide am kommenden Dienstag mit Preisverleihungen zu Ende gehen werden.

Neuer Rekord an Einsendungen

Mit mehr als 1000 Einsendungen hatten sich die Juroren in diesem Jahr erneut durch einen Rekord an Video- und Kurzfilmproduktionen zu arbeiten. "Wir sind nicht immer zufrieden mit dem deutschen Kurzfilm, aber in diesem Jahr sind wir glücklich", resümiert Carsten Spicher von der Auswahlkommission - und der Kritiker kann nur beipflichten. Gerade in fiktionalen Stoffen seien "filmische Talente" zu entdecken: Die in Berlin lebende Baskin Maru Solores bezaubert in Oberhausen mit ihrem Film 'Insel der Schildkröten', in dem eine 10-Jährige den Zuschauer ganz in ihre Science-Fiktion-Welt einzuspinnen versteht.

Über Universen und erste Momente

Mit 'Paralleluniversen' legen Carolin Schmitz und Heike Mutter von der Kölner Medienhochschule einen spannenden Lehrfilm der anderen Art vor: Auf einer Sternwarte in der chilenischen Wüste erzählen nicht nur die Wissenschaftler, sondern packend anschaulich auch die Köche und Bauarbeiter von Anfang und Zukunft unseres Universums. In 'Neulich 3' einem sechsminütigen "klassischen" Animationsfilm des Altmeisters Jochen Kuhn, wird der Betrachter Zeuge einer postmodernen Liebesaffäre. Das junge Paar verknallt sich an der Bushaltestelle - und trennt sich sofort wieder: Schöner als dieser erste Moment könne ihre Liebe nämlich nicht mehr werden. In dem elegischen Streifen 'Mein Erlöser' meditiert der griechische Wahlberliner Athanasios Karanikolas zu Barockkantaten über Macht und Ohnmacht, Leben und Tod.

Politischer Kurzfilm

Wenn der Kurzfilm "politisch" daherkommt, dann auch ironisch- sarkastisch oder mit ansprechender Filmästhetik: An bedrückende Schablonenmenschen in Fritz Langs 'Metropolis' erinnern Szenen in 'Q' von Oliver Husain (Frankfurt). Während er sich hintersinnig mit der heilen Konsumwelt auseinander setzt, karikiert der in Hongkong geborene Filmemacher Bin Chuen Choi den Körperkult der schönen neuen Welt: Barbie und Ken erscheinen nach einem Unfall mit amputierten Gliedmaßen.

Kurze Kunstwerke aus aller Welt

'Die rote Flagge weht' heißt der chinesische Beitrag, in dem Zhou Hongxiang mit den Mitteln der Pop-Kunst die erstarrte Herrschaft der KP angreift. 'Rinder' macht in bunt verfremdeten Bildern die ganze Pleite Argentiniens deutlich: Filmerin Gabriela Golder zeigt vier Minuten lang Menschen, die nach dem Unfall eines Viehtransporters massenweise Rinderstücke heimschleppen. 'Am Rand der Bilder' leben die Obdachlosen Sao Paulos, die Filmer Evaldo Mocarzel (Brasilien) medienkritisch mit den Video-Dokumenten ihre eigenen Lebens konfrontiert. Einfühlsam spürt der finnische Streifen 'Geschwisterbeziehungen' (Regie: Pia Andell) dem feinen Geflecht familiärer Bande nach. Der Londoner Filmemacher Marc Isaaks hat sich für Oberhausen etwas scheinbar simples einfallen lassen: Tagelang hat er im Lift eines Londoner Wohn-Hochhauses seine Kamera auf die Mitfahrer gerichtet. In dem 25-Minuten-Streifen 'Lift' dokumentiert er nicht nur den Alltag, die Launen und Aussagen seiner Mitmenschen. Ihr verändertes Verhalten zeigt auch die langsame Gewöhnung an die Anwesenheit eines beobachtenden Mediums.

DPA

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