Für Til Schweiger gibt es in Deutschland genau drei Filmstars: Matthias Schweighöfer, Elyas M'Barek und natürlich Til Schweiger. Aber was wie eine sehr selbstbewusste Einschätzung klingt, ist eigentlich eine Untertreibung - denn so ein Superstar im klassischen Sinn ist aus diesem Trio nur der 51-Jährige selbst.
Diesen Status verdient er sich nicht in erster Linie durch seine Filme. Die waren früher gut ("Knockin' On Heavens's Door" und vor allem "Barfuss"), bevor Schweiger ins seichtere Fach abrutschte und umso erfolgreicher wurde ("Keinohrhasen", "Kokowääh"). Allerdings locken auch Schweighöfer und M'Barek mit ihren Komödien Millionen ins Kino. Was ihnen zu Schweiger fehlt? Haltung. Schweighöfer schwiegersohnt sich durch jeden PR-Termin, M'Barek wollte sich im stern-Interview lieber nicht zur aktuellen Flüchtlingssituation äußern. Diese Verzagtheit könnte Schweiger nicht passieren.
Ecken, Kanten, Schweiger
Es ist nämlich ein verbreiteter Irrglaube, dass Bescheidenheit eine besondere Tugend von Stars zu sein hat. Vielmehr ist es doch erfrischend, wenn sich heutzutage noch jemand für den Allergeilsten hält, der zu allen wichtigen Themen seinen Senf dazugeben muss.
Ob in Politik, Showbusiness oder Sport: Die handelnden Personen mögen doch bitteschön schleunigst wieder eine Meinung haben, an der man sich reiben kann. Ob sie dafür den beliebten Vorwurf "Ganz schön viel Meinung für so wenig Ahnung" kassieren, muss ihnen egal sein. So wie es auch den bisweilen tobsüchtigen Til nicht kümmert. Seine Eigendarstellung funktioniert längst nach dem Prinzip: Ecken, Kanten, Schweiger.
Er nutzt seine Prominenz, um sich gegen Kindesmissbrauch oder für Flüchtlingshilfe einzusetzen, und er formuliert seine Ansagen stets deutlich. Wer seine Meinung nicht teilt, wird auf diese Weise wenigstens noch gut unterhalten.
Die Sirenen der Moralpolizei heulen da natürlich schnell auf, die Böhmermänner dieser Welt machen sich lieber über Schweigers inflationäre Nutzung von Ausrufezeichen und Versalien auf Facebook lustig - anstatt anzuerkennen, dass er sich für die gute(n) Sache(n) stark macht.
Aber Schweiger ist alte Schule. Er kommt noch aus einer Zeit, in der sich Politiker oder Schauspieler öffentlich (verbal) auf die Schnauze gehauen haben, bevor sie sich beim Bier versöhnten. Deshalb hat er M'Barek wahrscheinlich auch eine gescheuert - er kennt es nicht anders. Deshalb juckt es ihn auch nicht, wenn er von der aufgebrachten Community mal wieder mit Mistgabeln und brennenden Fackeln durchs Internet gejagt wird.
So eckt er in Zeiten der politischen Überkorrektheit ständig an. Das macht ihn authentisch, denn zu PR-Zwecken hat er es nicht nötig. Im Gegenteil: Sein letzter Film "Honig im Kopf" war sensationell erfolgreich, und speziell in seiner Zielgruppe dürfte Schweiger mit seiner geraden Art doch einige potenzielle Kinokartenkäufer verprellen. Auch hier gilt: Ist ihm egal.
"Lieber Mario, was hab' ich Dir denn getan?"
Natürlich ist er trotzdem wahnsinnig eitel, kritische Meinungen von Journalisten und Branchenkollegen bringen ihn regelmäßig auf die Palme. Jüngst schrieb er Mario Adorf, der Schweigers motziges Auftreten moniert hatte, via Facebook an: "Lieber Mario, was hab' ich Dir denn getan, dass du mir so einen mitgibst?"
Mit solchen Schrullen gewinnt Schweiger auch Leute, die nicht zu den Fans seiner Filme zählen, aber genau das von einem Superstar erwarten: Herz, Haltung, ein bisschen Wahnsinn. Und deshalb ist Til Schweiger in Deutschland der Letzte seiner Art.