Worum geht es?
Mathias Hegel ist Forensiker, nicht so einer wie Temperance Brennnon aus Kathy Reichs "Bones", die aus Knochenfragmenten Mordopfer und Täter identifizieren kann. Hegel sieht nicht, er hört. Sein absolutes Gehör extrahiert selbst aus kurzen Telefonmitschnitten Raumgröße, die Beschaffenheit der Auslageware, der Tapete sowie das Alter des Anrufers, wo er aufgewachsen ist, seinen Gemütszustand, etwaige Erkrankungen und die Schulausbildung. Hegel ist forensischer Phonetiker, genauer: der forensische Phonetiker. Ein Sherlock Holmes der Klangwelten. Und wie beim großen britischen Detektiv mangelt es ihm menschlich an vielem, doch ganz sicher nicht an Selbstvertrauen. Hegel hat alles im Griff und ist Dank seiner Fähigkeiten seinem Gegenüber stets einen Schritt voraus. Mindestens. Nur nicht jetzt. Er sitzt in Untersuchungshaft, weil er seine Frau ermordet haben soll.

Seine Lage verdankt er der Journalistin Julia Ansorge. In ihrem Blog untersucht sie Justizirrtümer, nicht nur solche, die Unschuldige wieder in Freiheit bringen, sondern auch umgekehrt. Mathias Hegel gehört zu den Letzteren. Ausgerechnet die Polizei benötigt Hegels Hilfe bei der Entführung eines Babys. Mehr als die beiden Anrufe der Mutter in der Notrufzentrale haben die Beamten nicht. Hegel knüpft seine Hilfe an eine Bedingung: Er kommt frei, ist allerdings überwacht von einer elektronischen Fußfessel an seine Berliner Villa gebunden. Hier soll er in seinem Audiolabor, so viele Informationen wie möglich aus den Anrufen holen.
Hegel wird sehr schnell klar, dass es hier um weit mehr als um eine Entführung geht und die Polizei darin verwickelt sein muss. Um das zu beweisen, benötigt er einen Spürhund mit Terrier-Qualitäten: Julia Ansorge. Eine denkbar schlechte Konstellation für eine gedeihliche Kooperation. Keiner der Protagonisten traut dem anderen, jeder hat mit seinem Gegenüber eine Rechnung offen und doch müssen sie alle zusammenarbeiten. Der zunächst als einfache Entführung eingestufter Fall entwickelt sich zu einem Verbrechen, dass das Leben der Protagonisten bedroht und zum Ende eine raffinierte Wendung nimmt.
Wer spricht?
Der Schauspieler Oliver Masucci verkörpert den vor lauter Begabung arroganten Mathias Hegel perfekt. Stets ruhig, mit dieser bestimmten Härte in der Stimme, die nicht nur wenig Widerspruch duldet, sondern ihn sogleich mit besseren Argumenten beiseite schiebt. Julia Ansorge wurde neu besetzt. Svenja Jung verlieh der True-Crime-Bloggerin im ersten Teil ihre Stimme, im zweiten Teil sprang Luisa Wietzorek für sie ein. Eine gute Entscheidung. Jung erhielt von den Zuhörern durchweg negative Kritik. Simon Jäger hält als Erzähler gekonnt wie immer die Geschichte zusammen.
Für wen geeignet?
Auris ist von Sebastian Fitzek und Vincent Kliesch von vorherein als Hörbuch konzipiert worden. Erst danach kam die Buchfassung. Der Auftaktroman rund um Mathias Hegel erhielt vom Publikum zum Teil vernichtende Kritiken. Weder die Handlung, die Protagonisten, noch die Sprecherin konnten überzeugen. Offenbar hat das Autorenteam zugehört. Auris-2 ist ein solider Thriller, der den Hörer auf scheinbar sichere Fährten führt und dann mit einem überraschenden Ende erwischt. Ohne den ersten Teil zu kennen, ist der Einstieg in die Geschichte um Hegel und Ansorge indes mühsam.
Was nervt?
Die Gewichtung der Rollen. Mathias Hegel spielt als kongenialer, hochbegabter Protagonist die titelgebende Nebenrolle, während Ansorge mit ihrer Qualifikation "True-Crime-Bloggerin" die Handlung vorantreibt. Ein wenig so, als würde Sherlock Holmes im Schatten von Dr. Watson agieren. Ansorge wirkt im Auftreten unsympathisch, Hegel undurchsichtig, herablassend und kaum präsent. Fitzek und Kliesch haben einen auf Serie ausgelegten, hoch spannenden Thriller ohne Sympathieträger entwickelt. Muss man auch erst einmal schaffen.