Tod der Mode-Ikone "Was auch immer du vorhast, du musst es versuchen": Wir alle sollten mehr wie Iris Apfel sein

Iris Apfel
Sie hielt nicht viel von Regeln und dem Alter – die gelernte Innenarchitektin und Stil-Ikone Iris Apfel
© Gregory Zäch
Die nach eigenen Angaben älteste Teenagerin der Welt ist mit 102 Jahren gestorben. Was wir von Iris Apfel lernen können.

Als Iris Apfel nicht mehr kräftig genug war, um auf Pressetermine zu gehen, ließ sie sich im Rollstuhl hinschieben, auch mit über 100 noch fröhlich winkend und gestylt. Das Alter nahm ihr die Energie, aber nicht die Lebensfreude und den Stil. In einer Welt, in der fast alle öffentlichen Personen, die über 50 sind, seltsam gleich aussehen – die Wangen aufgepolstert, die Haut gestrafft, die Stirn gespritzt –, stach sie heraus. 

"Mode-Ikone" nannten sie die Medien, "geriatrisches Starlet" sie sich selbst. Iris Apfels Humor und ihre Selbstironie waren ähnlich ikonisch wie ihre Outfits und taten der Mode-Szene gut. Dass Menschen sich so wahnsinnig ernst nehmen, fand sie schrecklich. Apfel, die nun mit 102 Jahren gestorben ist, versuchte gar nicht erst, sich ihrer Branche anzupassen. Und genau dadurch wurde sie erfolgreich und könnte uns allen ein Vorbild sein. "Wenn man alles für alle sein will, wird man nichts für niemanden", schrieb sie in ihrer Autobiographie "Colorfoul".  Deshalb entschied sich Iris Apfel dazu, einfach Iris Apfel zu sein. 

Ausgefallene, bunte Kleider und eine Nerdbrille mit riesigen runden Gläsern wurden zu ihren Markenzeichen. Sie sei nie hübsch gewesen, sagte Apfel in der Dokumentation "Iris". Und wer nicht hübsch sei, müsse andere Stärken und Qualitäten entwickeln, die einen im Alter wesentlich interessanter werden ließen. Zeit dafür bleibt allen, wenn sie nur wollen. Apfel, 1921 als Tochter jüdischer Eltern im New Yorker Stadtteil Queens geboren, bewies, dass es nie für irgendetwas zu spät ist. 

Mit 97 begann Iris Apfel als Model

In einem Alter, in dem andere im Ohrensessel langsam dem Tod entgegendösen und in wenigen wachen Momenten darüber sinnieren, dass früher alles besser gewesen sei, erreichte ihre Karriere den Höhepunkt. Gemeinsam mit ihrem Ehemann Carl beriet sie als Innenarchitektin neun US-Präsidenten bei der Einrichtung des Weißen Hauses. Doch berühmt wurde sie erst durch Zufall. Alles Wichtige in ihrem Leben sei zufällig geschehen, sagte Apfel und zeigt damit allen Fünf-Jahres-Karriereoptimierern, dass es auch ohne strammen Plan geht. Der war ihr zuwider. Dafür hatte sie Glück und war gut vorbereitet. So wie 2005, als das Kostüminstitut des New Yorker Metropolitan Museums of Art kurzfristig eine Ausstellung absagte. 

Der Kurator Harold Koda schlug als Ersatz Iris Apfel mit ihrem Fundus an extravaganter Kleidung vor. Also stellte die damals 84-Jährige dem Museum aus ihrem Kleiderschrank und Schmuckschatullen eine Sammlung zusammen – die so beachtlich war, dass sie Aufsehen erregte. Nach Jahren hatte es sich endlich gelohnt, dass Apfel kaum Kleidung weggeworfen hatte. Sie wurde zum Star, zur Influencerin und zum Mode-Vorbild. 

Unter Bookern heißt es, Mädchen seien mit 19 Jahren schon zu alt, um mit dem Modeln zu beginnen, Apfel begann mit 97. Die renommierte Agentur IMG Models nahm sie unter Vertrag. Zu alt für etwas fühlte sie sich nie und machte damit Frauen weltweit Mut, setzte sogar neue Trends. Auf den aktuellen Modeschauen sind auffallend viele "Granny Models" zu sehen. Dass Mode meist auf junge Leute zugeschnitten ist, nannte Apfel "einfach lächerlich". Den Jugendwahn verachtete sie, von Schönheitsoperationen und Verjüngungsmaßnahmen hielt sie nichts. "Ich finde an Falten nichts verkehrt. Für mich sind sie meine Tapferkeitsmedaillen", sagte sie. Sätze, die man selten hört in einer Zeit, in der schon junge Menschen während der Mittagspause zum Botox-Spritzen gehen. 

"Du hast nur dieses eine Leben"

Apfel ging es nie in erster Linie ums Aussehen. "Glücklich zu sein ist besser, als gut angezogen zu sein", sagte sie einst dem "Spiegel". Es ging ihr immer um Stil. Stil sei Haltung und keine Frage des Alters. Im Übrigen auch keine des Geldes – das habe sie von ihrer Mutter, einer ehemaligen Besitzerin einer Modeboutique in Queens, gelernt. Auch als Teil von New Yorks besserer Gesellschaft kaufte sie gerne auf Flohmärkten ein und auch mal bei H&M, "dafür bin ich mir nicht zu gut", wie sie dem Magazin der "Süddeutschen Zeitung" verriet. 

Von Regeln hielt sie sich ohnehin fern: "Die hätte ich nur gebrochen, was für eine Zeitverschwendung." Und so brach sie ihr Leben lang eine gesellschaftliche Regel nach der anderen, ohne groß darüber nachzudenken. Kinder bekam sie keine, denn Kinder zu bekommen sei damals wie eine Vorschrift gewesen – "und das mag ich nicht". Stattdessen machte sie Karriere als Innenarchitektin, trat als alte Dame in der Werbung auf, modelte mit über 90 und ließ sich immer und immer wieder fotografieren, nicht nur trotz, sondern auch wegen ihres Alters.

Apfel bewies, dass das, wovor fast alle Menschen Angst haben – alt zu werden – auch etwas sein kann, das sich zum Guten wenden und nutzen lässt. Dass es jung hält, immer wieder Neues auszuprobieren und dass es sich lohnt. "Was auch immer du vorhast, du musst es versuchen", sagte Iris Apfel in ihrer Doku. "Du hast nur dieses eine Leben, vergiss das nicht." 

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