Ausstellung "Macht und Freundschaft" Was von Preußen übrig blieb

Preußen liegt im Trend, so lautet eine jüngste Zeitgeistthese. Doch während kühlblonde Models in Uniformen posieren und die oberen Zehntausend Blaublut-Partys feiern, ermöglicht die Berliner Ausstellung "Macht und Freundschaft" den Blick darauf, was zwischen 1800 und 1860 in Preußen wirklich los war - und das mit viel Liebe zum Detail.

Wirklich glücklich sieht sie nicht aus unter ihrem Schleier, der von der nicht eben kleinen Krone auf den Kopf gedrückt wird. Ein bisschen so, als würde sie ihrem Blick links aus dem Bild gerne folgen - und zwar schnell. Charlotte hält sich zurück, so sieht es aus, doch ist sie auch aufgeregt, wie ihre geröteten Wangen verraten. So als freue sie sich auf das große Abenteuer, das ihr gleichzeitig Angst einjagt. Und sie hat allen Grund für dieses Gefühlschaos.

18 muss Friederike Luise Charlotte Wilhelmine Prinzessin von Preußen gewesen sein, als 1817 dieses Porträt von Hand des Malers Franz Gerhard von Kügelgen entstand. Bald darauf hatte das großgewachsene Mädchen mit den blauen Augen einen anderen Namen und eine andere Religion, denn an ihrem 19. Geburtstag wurde die älteste Tochter von Friedrich Wilhelm III. mit dem Bruder des russischen Kaisers Alexander I., dem Großfürsten Nikolaus Pawlowitsch, verheiratet, der als Nikolaus I. 1826 selbst auf den Kaiserthron steigen sollte. Es sei eine Liebesheirat gewesen, heißt es. Doch von nun an hieß Charlotte eben Alexandra Fjodorowna, war zum russisch orthodoxen Glauben konvertiert und lebte fernab ihrer Familie.

Freund und Feind

Wäre die Ausstellung "Macht und Freundschaft. Berlin - St. Petersburg 1800-1860" ein Film, Charlotte/ Alexandra würde die Hauptrolle spielen. Schließlich war ihre Ehe mit Nikolaus das Gerüst für eine einzigartig intensive politische wie kulturelle Beziehung zwischen zwei Dynastien, auf dem Fundament der "Heiligen Allianz" zwischen Russland, Preußen und Österreich im erfolgreichen Kampf gegen Napoleon. Allerdings folgte der innigen Freundschaft in Zeiten der Restauration der politischen Ordnung in Europa ganz wie im Film erbitterte Feindschaft. Aber da ging Alexandra Fjodorownas Leben bereits zu Ende.

"60 Jahre hinterlassen eine Menge Zeugnisse", sagt Jürgen Luh, der gemeinsam mit Ada Reav die Ausstellung konzipiert hat. Deshalb sei die Auswahl das Schwierigste gewesen, um diese Zeit angemessen zu porträtieren. Acht russische Partnermuseen haben die Stiftung Preussische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg mit 150 Leihgaben unterstützt, die das Bild von Charlotte/ Alexandra und ihrer Zeit vervollständigen.

448 Exponate füllen nun 13 Räume sowie den Lichthof des Martin-Gropius-Baus in Berlin. Angefangen mit den 5,3 und 7,4 Tonnen schweren Bronzeskulpturen der zwei "Rossebändiger" von Pjotr Clodt von Jürgensburg, die unter der Glaskuppel ein Kraftfeld aus gespannten Muskeln, wallenden Mähnen, von Zugriff und Gegenwehr ausbreiten. Die Monumentalskulpturen, übrigens ein Geschenk von Nikolaus I. an seinen Schwager Friedrich Wilhelm IV., geben gleich am Eingang zur Ausstellung bildhaft Auskunft über die Energie und deren Kanalisierung, die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zwischen den beiden Städten floss. Denn bei aller Freundschaft war es auch immer wieder ein Kräftemessen.

Von Glinka bis Humboldt

Davon erzählen Bilder und Vasenmalereien der ersten Militärmanöver zwischen zwei Armeen, deren Offiziere immer wieder aneinander gerieten. Doch viel spannender sind all die Zeugnisse des fruchtbaren kulturellen Austausches: von Künstlerporträts bis zur Geige des Komponisten Michail Glinka, von den Arbeiten Karl Friedrich Schinkels bis zu den Expeditionen Alexander von Humboldts. Architektur, die bildende Kunst, die Künstlerausbildung, die Errichtung öffentlicher Museen, Theater, Musik, Forschung erlebten eine Blüte. Es gab einen regelrechten Pendelverkehr zwischen Berlin und St. Petersburg.

In die Gegenwart geholt wird dieser friedvolle Abschnitt deutsch-russischer Beziehungen durch großformatige Fotos, die im Lichthof zeigen, was vom Austausch übrig geblieben ist. Und plötzlich werden die Gebäude, an denen der Berliner gerne einfach vorbei rennt mit Bedeutung gefüllt. Und ach ja, die Ausstellung wird übrigens von Gazprom gesponsort.

Für Historiker habe es bisher leider Dinge gegeben, "die interessanter waren, als die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts", erklärt der Ausstellungsschöpfer die bisherige Vernachlässigung des "wenig beleuchteten Kapitels europäischen Kulturaustausches". Was Charlotte/ Alexandra wohl dazu sagen würde? Und was wäre Berlin ohne Alexanderplatz?

"Macht und Freundschaft. Berlin - St. Petersburg 1800-1860". 13. März bis 26. Mai 2008 im Martin Gropius Bau, Berlin

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