"Circus der Sinne - Mother Africa" Afrika beginnt in Oberbayern

  • von Kathrin Buchner
Trommelwirbel, exotische Tänze, waghalsige Verrenkungen, die man in keiner Yogastunde lernt - mit Enthusiasmus touren die ausschließlich afrikanischen Künstler der Zirkustruppe "Mother Africa" mit ihren Kunststücken durch Deutschland.

Man sieht die Schweißperle auf dem nackten Bauch der Tänzerin, man sieht das Vibrieren der einzelnen Muskelfasern des Jongleurs, Kinder greifen nach den Perlen einer zerrissenen Kette, die über die Bühne kullern. Die Atmosphäre im Zirkuszelt ist intim, nicht nur in den vordersten Zuschauerreihen des Zirkuszeltes bekommt man hautnah mit, was auf der runden Bühne passiert.

Der Jongleur in Fellstutzen und Bemalung auf der Brust wirft mit massiv aussehenden Keramikvasen, fängt sie mit dem Nacken, mit dem Rücken auf - es tut weh beim Zusehen. Das Gefühl aus Faszination und Schmerz lässt einen nicht los. Schon die zweite Nummer ist der Höhepunkt der Show: Schlangenmensch Lazarus verrenkt sich um die eigene Achse, hält sein eigenes Gewicht auf einer Hand und zündet sich mit den rückwärts um den Körper geschlungenen Füßen eine Zigarette an. Er hält sie mit den Zehen und führt sie zum Mund - wer das kann, darf man auch 2008 weiter in öffentlichen Räumen rauchen.

Frosch-Mensch zwängt sich durch Tennisschläger

Bevor sich in der nächsten halsbrecherischen Verrenkung der Frosch-Mensch mit den Kugelaugen durch einen Tennisschläger zwängen wird und in einen Glas-Behälter quetscht, in dem kaum eine Henne Platz hätte, gibt es eine Slapstick-Einlage, spontan inszeniert von Zirkusdirektor Winston Ruddle, der einen der zwei Clowns mimt. Die Ethno-Clowns treten in wallenden Umhängen mit bunten Mustern auf statt in geringelten Shirts und weiten Hosen mit Trägern. Und sie haben auch keine roten Nasen im Gesicht, sondern Pfeifen im Mund, mit denen sie sich verständigen, um jugendlichen Freiwilligen aus dem Publikum das Trommeln beizubringen und schwupps, einfach mal so den Pulli auszuziehen - unter lautem Gelächter der Zuschauer, vor allem der Kinder.

Einradfahrer, wilde Tänzer, Clownereien, Jonglagen mit Keulen, Vasen und sogar Tischen - vielfältig ist das Programm, nicht alle Darbietungen sind perfekt. Da landet schon mal ein Ball beim Jonglieren daneben, ein Trommelstock fliegt über die Bühne im Eifer des Gefechts, aber das stört nicht. Man merkt den Artisten an, dass sie noch Spaß an der Sache haben, dass sie noch keine jahrelange Tour-Routine hinter sich haben, die sie abstumpfen hätten lassen. Gerade dieser Enthusiasmus, diese Begeisterung für das, was sie machen, ist mitreißend und erfrischend.

Afrikanische Dehnungsüben helfen auch im deutschen Winter

Zweieinhalb Stunden dauert das Spektakel, musikalisch untermalt von der tansanischen "InAfrica Band". Es ist eine Party, dann erschallt ein Medley aus Reggae-Gassenhauern bis zu Gloria Estefans Latino-Sound, der Einheizer lässt die Zuschauer sich an den Händen fassen und die Arme hochreißen.

Am Ende bitten die Artisten alle Anwesenden auf die Bühne, selbst die Ehrengäste lassen sich nicht lumpen, Kabarettist Willy Astor tanzt, Musiker und Moderator Werner Schmidbauer swingt, die Frau vom Falkenau-Förster Christian Wolff lässt sich von einem ranken Artisten führen, auch Karlheinz Böhms äthiopische Frau schwingt das Tanzbein. Böhm war als Ehrengast geladen, von jeder "Mother Africa"-Eintrittskarte gehen 50 Cent an das von ihm initiierte Hilfsprojekt "Menschen für Menschen". Und am Ende fühlt man sich ein bisschen lockerer, gelobt, die Yoga-Stunde ernst zu nehmen, fühlt das Blut wieder prickeln in den vom kalten Winter tauben Gliedmaßen und Muskeln.

Bis zum 6. Januar gastiert "Mother Africa" noch in Rosenheim, danach touren die Artisten noch gut zwei Monate durch Deutschland, Österreich und die Schweiz.

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