Dieter Bohlen Der Dreamboy aller Tiefergelegten

Von allen Geißeln der Klatsch- und Tratsch-Society ist Dieter Bohlen die hartnäckigste und impertinenteste, fand stern-Autor Wolfgang Röhl im Dezember 2001.

Eigentlich müsste Dieter Bohlen jedem Menschen, dem er begegnet, erst mal ein fröhliches »Ich hab dich gern!« zurufen. Wer solches tut, sagt Bohlen, der werde als Replik kaum ein »Ja klar, aber ich finde, du bist ein Arschgesicht« ernten. Mithin das, was jeder normal empfindende Zeitgenosse über den Sex-Kasper denkt.

Der Bonobo-Affe unter den Tonsetzern ist Deutschlands schlimmstes Luder. Die Kunst des Fuck-and-tell beherrscht er aus dem Effeff. So schnell können die Pistenhühner, die er in seinen Stammtränken zu befummeln pflegt, gar nicht in die Blöcke der Boulevardreporter gackern, dass der Journaille nicht schon die Vorabmeldung des Meisters vorläge. »Du musst super aussehen und was mit Dieter Bohlen haben - besser geht's nicht«, so der Rat des Hamburger Party-Pimps Michael Ammer an aufstrebende Luderchen. Bohlen ist ihr Pate. Wen er durchzieht, dem winkt schon mal ein Auftritt bei »Spiegel TV«, wie der als »Teppichluder« zu Ruhm gekommenen Iranerin Janina Youssefian.

Zwar ist Bohlen nur einer der Favoriten für den diesjährigen Megapeinlichkeits-Award, um den sich auch die Wussows, Joop, Wickert, M. Carrière sowie Ulla K.a.B. bewerben dürfen. Doch von allen Geißeln der Klatsch& Detsch-Society ist er die hartnäckigste, impertinenteste. Mit der Gesetzmäßigkeit des Schweinezyklus hangelt er sich durch den Blätterdschungel. Bohlens Planke wird mehr diskutiert als Merkels Frisur. Er füttert die Gazetten mit wüsten Storys und schreit zugleich: Könnt ihr Zeitungsfuzzis denn nicht mal eine Ausgabe ohne mich füllen? Ein echtes Luder.

Dieses Jahr kam er wieder heftig. In Talkshows erklärte er, wie er seiner Ex-Frau Verona eine semmelte, ohne sie dabei zu schlagen (»Ausholbewegung«). Bohlen mit Naddel-Nachfolgerin Estefania (»südamerikanische Frauen haben was sehr Liebes an sich«). Dann wieder Bohlen mit der Ex, und über allem ein Sturzbach von feuchten Geständnissen (»Estefania hat vor mir nur zwei Männer gehabt«). Ach, gegen Bohlen helfen keine B-52, keine cluster bombs. Quer durch alle Kriege und Krisen bohlt es durch die Medien. Bohlen, wohin man zappt. Nicht mal die gute alte Tante dpa verschont uns mit seinen O-Tönen.

Mit bald fünfzig verfügt er über einen Wortschatz wie ein pickeliger Skater in Baggy-Hosen, Beweis für die schon seit Jahrzehnten keimende deutsche Bildungskatastrophe. Echt crazy... hammermäßig... megaattraktiv? superhübsch... total lieb...

Dann wieder Einsichten: »Die Leute behaupten immer, wenn man älter wird, wird man auch weiser. Ich merk das nicht an mir.« Der Heidehengst hat selbst geschätzte 160 Millionen Tonmüllträger verkauft, sich die Karikatur einer Neureichen-Behausung sowie einen Stall von röhrenden Boliden zugelegt. Er ist der Dreamboy aller Tiefergelegten. Wenn so ein Blödmann Ferrari fährt, sagt sich der Proll auf der Straße, dann kann ich das auch. Recht hat er, der Proll.

Aber haben zivilisierte Menschen männlichen Geschlechts nicht auch Rechte? Zum Beispiel das, nicht mit einem wie Bohlen in denselben Trog geworfen zu werden? Für Omas Feminimus ist der steinzeitliche Dödel (»bin ein sensitiver Aufmerksamkeitsmensch«) ja eine Steilvorlage. Wenn es ihn nicht gäbe, Alice müsste ihn sich aus den Rippen schneiden.

Im ländlichen Raum gibt es oft Probleme mit den ewig umtriebigen, rolligen Feldkatern. Die schleichen sich gern ins Haus und pinkeln ans Tischbein, worauf die Bude wochenlang stinkt. Was lernen wir daraus? Den Dieter einfach nicht reinlassen? Leicht gesagt. Geh in einer bekannten Hamburger Rockkneipe aufs Damenklo. Er ist schon drin, an jedem Arm 'ne Braut. Was übrigens diese Kater betrifft: Der Tierarzt weiß Rat. Auf dem Land nehmen die Bauern auch schon mal zwei Backsteine. Man nennt das ziegeln. Danach werden die Viecher ruhiger. Okay, okay! Gewalt ist keine Lösung.

Ein aktuelles »Kursbuch« (nein, Dieter, da stehen keine Züge drin) beschäftigt sich mit Erscheinungsformen des Schwachsinns im Zeitalter der Öffentlichkeit. In einem Aufsatz schreibt Barbara Sichtermann, der laufende Rotz unserer Mediennasen sei immerhin Indiz für »eine begrüßenswerte - wachsende Durchlässigkeit der Gesellschaft und eine Verflachung der Hierarchien«. Sehr weise, werte Kollegin! Und doch: Einer, der den Bohlen live erlebt, sehnt sich nach dem finstersten Feudalismus zurück.

Es sei sein größter Wunsch, log der Schreckensbarde neulich, »dass die Leute bis März 2002 nix über Bohlen zu hören brauchen«. Allein, uns fehlt der Glaube.

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