Stylisten für den ESC-Look Wie die bunt-verrückten Outfits von Jamie-Lee entstehen

  • von Vivian Alterauge
Glitzernder Haarschmuck, bunte Röcke und gemusterte T-Shirts - der ESC-Teilnehmerin Jamie-Lee kann es gar nicht knallig genug sein. Der Künstler FJBaur und die Stylistin Kathi Glas entwerfen immer neue Looks für sie. Ein Atelierbesuch.

700 pelzige kleine Bären sind bei ihm eingezogen. Jetzt sitzen ein paar dieser bunten Teddys kreuz und quer auf einem Haarreifen, der außerdem mit goldener Folie, pastelligen Filzpuscheln und goldenen Perlenstäbchen dekoriert ist. Es sieht aus, als funkten die Tierchen Nachrichten in eine andere Welt. "Ich habe inzwischen einen eigenen Kontakt in China," erzählt der Künstler Franz-Josef Baur. Er schickt eine Bestellung - und zwei Tage später hat er alles, was er braucht. Schon für seine Kunstinstallationen experimentierte er mit den bunten Tieren, jetzt stellt er sie auf dem Kopf der deutschen ESC-Teilnehmerin Jamie-Lee aus.

Die Bären sind ein Muss

400 Schleifen und 200 Puschel hat er pink angemalt, aus Fimo neue Haarreifskulpturen gebaut. Von der Logistik der Haarreifen spricht er, als sei er ein Transportunternehmen. Mit einem großen Karton war er am frühen Nachmittag im Atelier der Stylistin Kathi Glas angekommen. Jamie-Lee strahlt, als sie die Bären entdeckt. Bären sind schon ein Muss, es soll schließlich kawaii sein.

Zu dritt stehen sie nun zwischen Kleiderständern und Schnitttischen, während Jamie-Lee regelmäßig in einer Kammer verschwindet und in neuer Montur heraustritt. In drei Tagen reist ein schwedisches Fernsehteam nach Berlin, um ihren Introfilm für den ESC zu drehen. Die Vorgabe: Vier Outfits, von verrückt bis casual. Doch jedes noch so schlichte Outfit bekommt einen Kniff verpasst, eine Schleife hier, eine bunte Jacke dort, eine Kette.

Denn neben ihrer außerordentlichen Stimme fiel Jamie-Lee schon zu Beginn von "The Voice of Germany" mit einem auf: ihren Outfitkombis. Mal trug sie einen plüschigen Stitch-Anzug und klippte sich zehn bunte Klammern in den Pony, mal kombinierte sie bunte Röcke zu zerrissenen Strumpfhosen und noch bunteren T-Shirts. Dekora Kei nennt sich der Stil, den Jamie-Lee vor ein paar Jahren in der Bravo für sich entdeckte. Der Trend aus Tokio folgt eigentlich nur einer Vorschrift: möglichst niedlich, kawaii auszusehen. Ihr Manager erinnert sich, dass in Jamie-Lees Wochenplan bei "The Voice" immer ein langer Balken durch die Excel-Tabelle ging, wenn es um den Punkt Styling ging. "Jamie-Lee Eigenregie" stand da immer. Nachdem sie gewonnen hatte, kam Outfit-Hilfe von außerhalb dazu. Ihr Stil blieb.

Das Atelier: Ein textilgewordener Bonbonladen

Das Atelier der Stylistin Kathi Glas sieht eigentlich aus wie ein textilgewordener Bonbonladen. Aus dutzenden Schubfächern hängen Stofffetzen und Federn, Bänder und Accessoires heraus, zwei Nähmaschinen stehen in dem kleinen Raum. Jamie-Lees Garderobe erkennt man auf den ersten Blick: Zwei Kleiderstangen mit knalligen Kleidern, T-Shirts, Röcken und Jacken. Kein Schuh bleibt so wie er ist, jeder wird mit Schleifen oder Farbe verziert. Beinahe täglich schicken sich die beiden Fotos hin und her, von Internetfundstücken oder inspirierenden Bildern, vieles bestellen sie aus Japan oder Korea. Oft wird Jamie-Lee gefragt, wo sie denn ihre Kleidungsstücke gekauft habe. "Das verrate ich ungern", sagt sie. Ihr Look soll ein Stückweit Unikat bleiben, ihr Markenzeichen.

Kathi Glas und Jamie-Lee lernten sich über den "The Voice"- Juror Rea Garvey kennen. Glas hatte nach einem Studium an einer Modeuni zufällig die Chicks on Speed kennen gelernt, ein Musik- und Performance-Kollektiv. "An denen konnte ich mich so richtig austoben", sagt sie, dabei wollte sie ursprünglich keine Stylistin werden. Doch das schrille Kunst-Styling erfüllte sie so sehr, dass sie fortan auch für andere Künstler und Produktionen das Styling übernahm. Als sie gefragt wurde, ob sie Jamie-Lee beim Styling unterstützen könnte, fing sie direkt an, sich mit Dekora Kei zu beschäftigen. Die Einzelteile für Jamie-Lees Outfits kauft sie auch schon mal in Baumärkten und Bastelshops, statt in Boutiquen. "Es ist so toll, einfach einen Laden weiter zu gehen", sagt sie.

Das Outfit für Stockholm haben die beiden schon vor ein paar Wochen zusammengestellt, zufällig soll schließlich nichts sein, geheim bleibt es trotzdem. Eine Prognose können wir trotzdem wagen: Es wird bunt.

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