Kolumne Die Stars von morgen

Lärmende Bands gibt es viele. Aber ein paar neue Gruppen lassen auf bessere Zeiten hoffen. Ein Ausblick von Kester Schlenz.

Lassen Sie mich Ihnen gleich zu Anfang sagen, dass ich selbst mal Rock gemacht habe. Ich war Ende der 70er Jahre Schlagzeuger der zumindest in Hamburg-Bergedorf legendären Sado Boys. Beim ersten Auftritt gab's hohe Sachschäden. Ich will damit vor allem sagen, dass mir der Rock wirklich seit Jahrzehnten am Herzen liegt.

Und ich habe mir in letzter Zeit ein bisschen Sorgen um ihn gemacht. Denn eigentlich war er schon fast verschwunden. Sicher, es gab und gibt Gralshüter wie die Stones, AC/DC, ZZ-Top und Leute wie Iggy Pop, die regelmäßig bei uns vorbeikommen und sich auf hohem Niveau gepflegt wiederholen. Aber neue, tolle Rockbands? Gruppen wie Linkin Park, Korn, Slipknot und all diese Böller-Rocker aus der "Nu Metal"-Ecke klingen ja immer so, als ob die eine Hälfte der Bandmitglieder satanistische Epileptiker und die andere hyperaktive Kokser wären. Hauptsächlich laut, brutal und schnell. Das ist nicht Rock! Das ist - Verzeihung - Lärm!

Doch es gibt Hoffnung. Neue, junge Bands aus Europa und Amerika entdecken ihre Wurzeln wieder. Sie sehen mit voller Absicht uncool aus, spielen einfache, klare Musik mit Gitarrenriffs wie Schwerthiebe - und sie sind die Zukunft des Rock. Die Band Jet aus Australien zum Beispiel mit ihrem wunderbar erdigen Retro-Garagen-Sound. The White Stripes aus Detroit sind zwar schon seit 1997 dabei, haben aber erst in jüngster Zeit ihre ambitionierte, doch betont einfache Musik zu voller Pracht entfaltet. Etwas schräger und rauer klingen The Vines aus Australien. Gute Partymusik! Hoch gelobt wird gerade allerorts die britische Band Franz Ferdinand mit ihren schlauen, klaren Akkordfolgen. Aber eigentlich gehört die Band entgegen anders lautender Behauptungen nicht in die Rockecke. Die Jungs sind verkappte Popper.

The Strokes aus New York und ihr sympathischer Übungskeller-Sound sind da schon eher was für Rockfans. Die Band gehört mittlerweile ja schon fast zum musikalischen Establishment. Noch relativ frisch ist der Erfolg von The Darkness - die ideale Band zum entfesselten Luftgitarren-Spielen. Die Briten haben den theatralischen Glam-Rock der 70er wieder entdeckt, tragen total ätzende Hemden und verneigen sich vor ihren musikalischen Vorfahren, indem sie in einem Video Marshall-Verstärker-Türme ins Unendliche hochwachsen lassen. Aber auch übliche Verdächtige müssen hier gelobt werden. Courtney Love hat mit "America's Sweetheart" eine der besten Rockplatten des Jahres abgeliefert. Die klingt fast so schmutzig-schön wie damals die Sado Boys. Hey, Jungs, wir müssen wieder auf die Bühne.

Kester Schlenz

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