Die deutschen Musikautoren wollen die angekündigte Kürzung ihrer Lizenzeinkünfte nicht wehrlos hinnehmen. 60 000 Komponisten, Texter und Musikverleger wollen mit einer Unterschriftenaktion und einer Demonstration zur Verleihung des Deutschen Schallplatten-Preises Echo am 6. März in Berlin protestieren. Die Tonträgerindustrie will die Autorenlizenzen pro verkaufter CD von 9,009 auf 5,6 Prozent des Händlerabgabepreises kürzen. Die Autoren befürchten dadurch einen jährlichen Einkommensverlust von über 40 Millionen Euro.
Der Hamburger Branchendienst "musik" umschrieb das Klima zwischen der Tonträgerindustrie und den Autoren mit der Schlagzeile "Jetzt ist Krieg". Die deutschen Komponisten-Verbände sprechen von einem "kannibalischen Rundumschlag". Die Hamburger Musikverlegerin Dagmar Sikorski - auch Präsidentin des Deutschen Musikverleger-Verbandes, wirft der Industrie Schikane vor, die jedem moralischen und demokratischen Verhalten entbehre. Ohnehin gebe es nur knapp einen Euro vom Händlerabgabepreis einer CD für die Kreativen, die die Musik geschrieben hätten.
"Autoren werden ihrer Existenzgrundlage beraubt"
Schlager-Komponist Christian Bruhn, Jazz-Saxofonist Klaus Doldinger, Schlagersänger Stefan Waggershausen und Deutschlands wohl populärster Kinderlieder-Autor Rolf Zuckowski haben in einer gemeinsamen Erklärung scharfe Kritik an der Senkung der Autorenlizenzen geübt. Als Mitglieder des Kuratoriums der Deutschen Phono-Akademie, die auch die Echo-Verleihung veranstaltet, haben sie der Tonträgerindustrie vorgeworfen, ihre Entscheidung wirke wie ein Hohn, "denn wie soll der Interpreten-Nachwuchs vorankommen, wenn die ihnen zuarbeitenden Autoren ihrer Existenzgrundlage beraubt werden?"
"Die uns alle treffende Misere der Deutschen Schallplattenindustrie ist unter anderem auch auf den seit Jahren sträflich vernachlässigten Aufbau von Künstlern mit einem individuellen deutschsprachigen Repertoireprofil zurückzuführen. Wir sind angesichts der getroffenen Entscheidung der Phonoindustrie erschüttert und werden unsere Position im Kuratorium überdenken", erklären die prominenten Musikautoren in einer Protestnote.
Auch bei der GEMA kein Verständnis für die Industrie
Die Verwertungsgesellschaft GEMA in München, die die Lizenzeinnahmen für die Autoren einnimmt und weiter verteilt, zeigte sich empört über das Verhalten der Industrie. GEMA-Vorstand Prof. Dr. Reinhold Kreile erklärte: "In einer Situation, in der die phonografische Wirtschaft ihre gesamte unternehmerische Intelligenz darauf konzentrieren sollte, zukunftsorientierte Lösungen zur Bewältigung der Krise im Tonträgermarkt zu finden, verfällt sie darauf, den kreativen Komponisten und Textautoren den gerechten Lohn vorzuenthalten, um die eigenen Umsatzverluste der vergangenen Jahre auszugleichen." Die deutschen Gerichte würden einer solchen Enteignung nicht folgen, sagte Kreile.
Gerd Gebhardt, Vorsitzender der Tonträgerverbände, versicherte in Berlin, man sei bereit, sofort neue Verträge mit angemessenen und realistischen Eckdaten zu verhandeln. Dafür, so Gebhardt, sei aber auch der gute Wille der GEMA, der Autoren und der Musikverleger notwendig. "Es muss umgehend etwas passieren - bevor es für eine ganze Branche zu spät ist", warnte Gebhardt.