Dass dieses Album ein Jahr bis zur Fertigstellung gebraucht hat, überrascht Kenner der Materie wenig. Es hat nur ein Jahr gedauert, sollte man besser sagen. Die Mitglieder der Band Tortoise sind allesamt als Produzenten oder Musiker anderer Formationen aktiv, sie ziehen ihre Bahnen und hinterlassen ihre Spuren in einem weltumspannenden Netzwerk von Freigeistern auf dem weiten Feld der Rockmusik.
In den frühen Aufnahmen von Tortoise war die Keimzelle für das angelegt, was bald Postrock heißen sollte. Postrock ist heute auch schon wieder Zukunftsmusik von gestern. Es gibt sie zwar immer noch, die komplexen Instrumentalschleifen, die sich fünf und mehr Minuten um elaborierte Rhythmen wickeln, Bass- und Geräusch-Loops mitnehmen - Tortoise zieht es 2004 aber hörbar zum Orchestralen, zum Malerischen und Wohlklingenden.
Raffinierte Arrangements
John McEntire, John Herndon, Doug McCombs, Dan Bitney und Jeff Parker malen auf hohem Niveau, sie legieren ihre Songs mit raffinierten Streicher- und Vibraphon-Arrangements, sie spielen Soundtracks. "It's All Around You" markiert durchaus auch ein neues Band-Selbstverständnis: Tortoise streifen die Rock- und Popgeschichte, ohne sie im nächsten Moment gleich wieder strukturell auseinandernehmen zu müssen. "Stretch (You Are All Right)" könnte man für eine Fortführung des Frühwerks von Mike Oldfield halten, "The Lithium Stiffs" besitzt ätherische Chorsätze, die man sonst auf Stereolab-Platten sucht. Und - so schließt sich der Kreis - Stereolab waren ja auch schon mit John McEntire im Studio.
Frank Sawatzki, AP