VERWEIGERER Ende der Auszeit

Sie hätten eine der größten Bands der 90er Jahre werden können, doch statt Karriere machten die Stereo MC?s lieber eine lange, lange Pause. Jetzt sind sie wieder da

Von Sebastian Hammelehle

Sie hätten eine der größten Bands der 90er Jahre werden können, doch statt Karriere machten die Stereo MC?s lieber eine lange, lange Pause. Jetzt sind sie wieder da

Einen Platz in der Popgeschichte haben die Stereo MC?s sicher – nicht nur, weil ihre Musik so gut ist: Mit ihrem dritten Album »Connected« waren die Londoner 1992 fast Weltstars, eineinhalb Millionen Menschen kauften die Platte, die Singles (»Connected«, »Step It Up«) waren Hits. Ihre Art, HipHop, Dance-music, Pop und Soul zu mischen, war so neuartig, dass sich sogar die Rolling Stones und David Bowie von den Stereo MC?s remixen lassen wollten. Die Band aber lehnte ab: Sie wollte nicht einfach nur Teil des Musikgeschäfts sein, sie wollte etwas Unverwechselbares machen. Doch in der Folge machten die Stereo MC?s gar nichts mehr – und wurden zum Inbegriff von Popstars, die den Faden verloren haben.

Neun lange Jahre nach »Connected« erscheint jetzt das neue Album: »Deep Down & Dirty«. Das ist Rekord: Keine andere Band in der Popgeschichte hat sich auf dem Höhepunkt ihrer Karriere so lange Zeit gelassen. Nicht weiter erstaunlich, dass über die Stereo MC?s wilde Gerüchte existierten: Sie seien Junkies, völlig verrückt geworden. Sie seien tot. »Ich habe kein Heroin genommen, kein Kokain, kein Ecstasy, kein LSD, keine Elefantenpillen «, sagt Sänger Rob Birch, 39. Sie würden sich über die Drogengerüchte nicht einmal mehr ärgern, so absurd seien die, erklärt sein Partner Nick Hallam, 40. »Ich hoffe nur, meine Tochter bekommt nichts davon mit.« Hallams Tochter ist zehn Jahre alt. Für sie hat der Musiker den einzigen Urlaub in neun Jahren gemacht: »Zehn Tage Jamaika. Sie sollte mal in die Sonne.«

Aber Herr Hallam, Sie hätten doch Zeit genug gehabt, jahrelang um die Welt zu reisen! »Überhaupt nicht«, beteuert er, »wir waren die ganze Zeit beschäftigt.«

Tag für Tag saßen Birch und Hallam in ihrem Kellerstudio im Londoner Viertel Brixton, und irgendwann hatten sie Ideen für mindestens vierhundert Stücke zusammen. Doch mit keiner waren sie zufrieden. Der Knoten platzte erst, als eine Berliner Plattenfirma die beiden bat, eine Mix-CD zusammenzustellen: »Das war gut. Wir haben gemerkt, dass wir eigentlich Platten machen wollen.« Als die Stereo MC?s das nächste Mal um einen Remix gebeten wurden, lehnten sie nicht mehr ab: Es war Madonna, die angefragt hatte. Für die Stücke auf »Deep Down & Dirty« haben die Stereo MC?s dann nur noch zwölf Monate gebraucht. Die Platte klingt wieder gut, wenn auch rauer und weniger poppig als die früheren Alben.

Bleibt eine Frage: Wann erscheint die nächste Platte? »Keine Ahnung. Vielleicht machen wir ein Album, auf dem nur ein einziges vierzigminütiges Stück zu hören ist. Vielleicht nehmen wir auch die britische Nationalhymne neu auf«, sagt Nick Hallam. Aus dem Munde jedes anderen Popstars klänge das wie ein Witz.

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