Mütter bekommen in Deutschland nach der Geburt ihres Kindes acht Wochen lang weiterhin ihr Nettogehalt – allerdings nicht die Väter – oder ein anderer zweiter Elternteil jeglichen Geschlechts. Als erster DAX-Konzern will Henkel jetzt beiden Elternteilen nach der Entbindung des Kindes acht Wochen Sonderurlaub bei vollem Gehalt ermöglichen. Zum Vorreiter wurde Henkel nun auch deshalb, weil das Software-Unternehmen SAP ein ähnliches Vorhaben zurückgezogen hatte.
SAP hatte im September angekündigt, dass auch Väter nach der Geburt ihres Kindes sechs Wochen zu Hause bleiben dürfen – bei vollen Bezügen. Das kassierte der DAX-Konzern Anfang Januar allerdings wieder ein. Grund dafür ist nach Angaben des Konzerns, dass auch die Pläne der Bundesregierung hinsichtlich "Vaterschaftsurlaub" bisher nicht umgesetzt wurden. "Wir nehmen dies zum Anlass, unsere eigenen Pläne in diesem Bereich ebenfalls zu überprüfen", teilte ein Sprecher mit.
"Vaterschaftsurlaub" oder "Familienstartzeit": So steht es um die Pläne der Ampel-Regierung
Der Begriff ist noch nicht ganz eindeutig und auch das Vorhaben stockt: 2024 soll Partnern und Partnerinnen nach der Geburt eines Kindes eine zweiwöchige bezahlte Auszeit ermöglicht werden. Damit sollte die Mutter nach der Entbindung unterstützt werden und beiden Elternteilen ein gemeinsamer Start in ihr Leben als Eltern erleichtert werden. Denn bisher müssen Partner und Partnerinnen, die nach der Geburt bei ihrer Familie sein wollen, direkt Elternzeit nehmen oder den eigentlich für Erholung gedachten Urlaub.
Das Vorhaben, einen "Vaterschaftsurlaub" oder – wie Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) es nannte – eine "Familienstartzeit" umzusetzen, scheitert aktuell an Uneinigkeiten in der Ampelregierung.
Die FDP, genauer gesagt, das von Christian Lindner geführte Finanzministerium, blockiert die Umsetzung der "Familienstartzeit". Nach Auffassung der Liberalen seien die bereits bestehenden Regelungen um die Elternzeit und das Elterngeld ausreichend. Man wolle zusätzliche Belastungen für die Arbeitgeber vermeiden, heißt es vonseiten der FDP.
Bezahlt werden soll der Sonderurlaub wie der gesetzliche Mutterschutz, also per Umlageverfahren. Das heißt, Arbeitgeber zahlen das Gehalt weiter, bekommen aber einen Erstattungsanspruch aus dem arbeitgebersolidarisch finanzierten "U2 – Umlageverfahren". Das Ministerium von Lisa Paus rechnet mit rund 470.000 Anträgen und jährlichen Umlagekosten von rund 556 Millionen Euro. Das hatte der Arbeitgeberverband BDA schon nach Bekanntwerden der Pläne im April 2023 kritisiert.

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Trotz Ampelquerelen: Henkel schreitet voran
Bei Henkel wollte man wohl unabhängig von den Plänen der Bundesregierung trotzdem voranschreiten: Der Hersteller von "Pritt", "Persil", "Pril" und Schwarzkopf-Kosmetik gewährt die bezahlte Elternzeit allen 50.000 Beschäftigten weltweit, und zwar für Kinder, die seit Jahresanfang geboren oder adoptiert wurden. In Deutschland hat die Firma 8500 Angestellte, 60 Prozent davon sind Männer. Vor allem sie profitieren von der Regelung.
Vorstandschef Carsten Knobel sagte am Mittwoch, der Vorstoß unterstreiche ihr Engagement "für die Förderung einer inklusiven Kultur und mehr Geschlechtergerechtigkeit".
Sylvie Nicol, Mitglied des Vorstands von Henkel, zuständig für Personal und Nachhaltigkeit, sagt weiter: "Die Kinderbetreuung liegt oft noch primär bei den Müttern. Mit der Initiative möchten wir werdende Eltern unterstützen und herkömmliche Geschlechterrollen aufbrechen, um jedem die Teilhabe an der Kinderbetreuung zu ermöglichen. Dazu gehört es, auch Väter zu ermutigen, sich in den ersten Wochen ihrer Familie zu widmen – ohne finanzielle Einbußen."
In Deutschland sieht die Regelung vor, dass der Vater – oder bei gleichgeschlechtlichen Paaren eben ein Elternteil – Elterngeld beantragt. Das liegt bei 65 Prozent des Nettogehalts, aber höchstens bei 1800 Euro pro Monat. Henkel wird das Elterngeld dann acht Wochen lang aufstocken, sodass der Vater bzw. der zweite Elternteil weiter seine alten Nettobezüge kassiert.
Die Debatte um die "Familienstartzeit" zeigt mit Blick auf andere Länder, dass alle diese Vorhaben, ob zwei, sechs oder acht Wochen nicht unbedingt revolutionär sind. In Sachen Care-Arbeit sind andere europäische Länder oft schon weiter: In Finnland etwa bekommen frisch gebackene Väter oder Partner:innen neun Wochen Sonderurlaub, in Spanien vier und in Portugal drei.