"Deutschland sucht den Superstar" Erschöpft am Mikro

  • von Peer Schader
Riesen-Durchhänger bei "DSDS": In der dritten Mottoshow wirkten die Kandidaten ausgelaugt. Mark Medlock schleppte sich durch den Abend, Lauren Talbot sagte kein Wort - und zum Schluss musste eine gehen, die wohl längst damit gerechnet hatte.

Eine Frage ist bei "Deutschland sucht den Superstar" gerade besonders wichtig: Was ist bloß mit Mark Medlock los? Von Anfang an galt der 28-jährige Offenbacher als einer, der es in dieser Show ganz weit bringen würde. Dann kam in der vergangenen Woche der große Knick: Vorbei war's mit Leidenschaft und Begeisterung auf der Bühne, Joe Cockers "Unchain my heart" trällerte Medlock lieblos herunter und bestätigte nachher im Abgang: "Bin ich froh, dass ich den Song nicht mehr singen muss."

In den Tagen vor der dritten Mottoshow am Samstagabend machte dann die Nachricht vom Kollaps mit anschließendem Krankenhausaufenthalt die Runde: schwere Nasennebenhöhlen-Entzündung lautete die offizielle Diagnose. Aber längst wird getuschelt, dass Medlock der ganze Stress zuviel geworden ist. Am Abend stand er trotzdem auf der Bühne, wirkte aber auch bei "Endless love" von Lionel Richie angeschlagen.

"Dann machen wir einen Dreier"

Anschließend sagte ein ernster Dieter Bohlen, dass er sich am Abend mal mit ihm unter vier Augen in seiner Garderobe unterhalten wolle. Da sei sie ja gespannt, witzelte Jurykollegin Lukaseder, weil sie die Garderobe nebenan habe. Und Medlock konterte spontan: "Du kannst ja dazu kommen, dann machen wir einen Dreier." Das war einer der wenigen Lacher an diesem Abend.

So witzig und locker "DSDS" manchmal aussieht: RTL schrammt mit seiner Castingrunde gerade ganz schön am Abgrund entlang. Es geht ja nicht nur um Medlock: In der Mottoshow "Power of Love" verfestigte sich der Eindruck, dass die Superstar-Anwärter fast alle einen Durchhänger haben. Bühnenliebling Lisa Bund nölt schon seit zwei Wochen herum, sie werde von niemandem in der Gruppe verstanden, weil man ihre direkte Art nicht schätze. Thomas Enns machte eine Woche nach dem Rauswurf seines kleinen Bruders den Eindruck, als laufe und grinse er auf Autopilot. Und Lauren Talbot verzog nach "True Colors" von Cindy Lauper den Mund, als sei gerade jemand gestorben. Den ganzen Abend sagte sie kaum ein Wort.

So gesehen war es für RTL ein echtes Desaster: Die Kandidaten wirkten müde, ausgelaugt, manchmal sogar so, als wüssten sie selbst nicht so genau, warum sie noch dabei sind, oder als seien sie vertraglich verpflichtet, um jeden Preis durchzuhalten.

Von Bohlen ungeliebt

Am Ende musste Julia Falke gehen, die mit "Angel" von Sarah McLachlan tatsächlich den schwächsten Auftritt abgeliefert hatte. Trotz Tränen war sie wohl noch am gefasstesten an diesem Abend. Und hatte womöglich schon in der vergangenen Woche mit dem Rauswurf gerechnet. Vielleicht macht es auch keinen Sinn, große Hoffnungen zu haben, wenn Chef-Juror Bohlen öffentlich kundtut, dass er einen nicht ausstehen kann. Diesmal urteilte er: "grausam". Da kann man getrost nachhause gehen.

Selten war der Stress, der Druck, die große Belastung den Kandidaten so deutlich anzusehen wie dieses Mal. Am Ende stand Lauren neben Julia als letztes auf der Bühne und flüsterte vor der Entscheidung fortwährend in ihr Mikro: "Ich steh das nicht durch, ich steh das nicht durch." Das war womöglich nicht nur so dahin geredet.

Vielleicht merken sie das bei RTL und der Produktionsfirma Grundy Light Entertainment aber auch nicht: Wie unfassbar traurig diese Sendung gerade macht, weil da keiner mehr den Eindruck vermittelt, als habe er Spaß. Aber anstatt gegenzusteuern, feuert RTL die Verwertungsmaschine weiter an und ließ Moderator Marco Schreyl die "DSDS"-CD bewerben, die in dieser Woche noch rechtzeitig vor Ostern in die Plattenläden gedrückt wird.

Lieber eine Woche Pause

Es ist ein großes Problem, dass "DSDS" die Überraschungen fehlen. Der ritualisierte Showablauf ist eine Qual, wenn auf der Bühne Kandidaten stehen, die ganz offensichtlich lieber eine Woche Pause gehabt hätten, und nachher eine Jury mit denselben Floskeln urteilt, die sie schon hundertmal losgelassen hat.

Sogar Wortakrobat Bohlen musste dieses Mal auf Uralt-Gags zurückgreifen: "Ist das ein Revolver in deiner Hose oder freust du dich nur, mich zu sehen?", fragte er Max Buskohl nach seinem Auftritt mit "Here Without You" von 3 Doors Down, einem der wenigen guten Interpretationen des Abends. Und Martin Stosch bekam ein weiteres Mal bescheinigt, dass den kleinen Mädchen bei seinem Anblick "ganz warm im Schlüpper" werde. Für mehr hat es nicht gereicht.

"Mach's net so spannend"

Von Power war in der "Power of Love"-Show keine Spur. Noch viel schlimmer ist jedoch: Zweieinhalb Monate nach dem Start der vierten Staffel ist "DSDS" auch für die Zuschauer zur Anstrengung geworden. Zwei Stunden Show, eine Stunde Pause, die danach folgende, endlos in die Länge gezogene und künstlich dramatisierte Entscheidungsprozedur - all das kann einem längst gewaltig auf die Nerven fallen. "Mach's net so spannend", brüllte Medlock Moderator Schreyl dazwischen, als der wieder zum Schlussgelaber ansetzte, mit dem man beim Sender offensichtlich Spannung zu erzeugen wünscht.

Wie sehr fehlt dieser Veranstaltung ein glaubwürdiger, spontaner Moderator! Schreyl schafft es immer noch nicht, ohne Moderationskärtchen ein paar freie Sätze aufzusagen - allein bei der Anmoderation musste er für fünf Sätze dreimal auf die Karten sehen. Von Tooske Ragas, die längst wieder hätte mitmoderieren sollen, gibt es immer noch keine Spur. Aber RTL hält es auch nicht für nötig, den Zuschauern zu erklären, warum eigentlich.

Gegacker statt klarer Worte

Genauso wenig wie Schreyl einfach klipp und klar sagt, warum Medlock ins Krankenhaus musste, anstatt herumzugackern, er habe "eine schwer Woche" gehabt. Vermutlich geht RTL davon aus, dass die Zuschauer alle "DSDS"-Begleitbeiträge in "Punkt 12" und "Explosiv" gesehen haben und deshalb bestens informiert sind.

Die Jury fordert von ihren Kandidaten jede Woche aufs Neue, sich ganz besonders anzustrengen und aus sich heraus zu gehen. Diesmal gab es zu Beginn sogar eine Standpauke von Dieter Bohlen. "Manche sind hier schon richtig selbstgefällig geworden. Aber ihr müsst alles geben - sonst ist Schluss mit Presse und Fans", motzte der Jurychef. "Ich erwarte von jedem, dass er sich den Arsch aufreißt." Vielleicht sollte Bohlen diese Information bald auch mal an die Macher der Show weitergeben. Sonst wird es noch zum Himmelfahrtskommando, wenn RTL "DSDS" in zwei Wochen erstmals gegen "Wetten, dass...?" antreten lässt.

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