Schnauf. Schwitz. Stöhn. "Erstmal hey zusammen." Ächz. Röchel. Pfeif. Die Show hatte gerade erst begonnen, da war die Klum schon am Ende. Ein Duett mit ihrem Mann am Klavier, bei dem sie mit gehauchter, jede Melodie boykottierender Stimme den Titelsong der aktuellen Staffel intonierte, ein Schmatz für den Liebsten und eine anschließende Tanzeinlage hatten die Sauerstoffvorräte der 48-Jährigen restlos aufgebracht.
"Erstmal verschnaufen", hechelte sie ins Mikrofon und machte den Abgang. Umziehen, Schweiß wegpudern, frisches Deo unter die Achseln. Grande Finale von "Germany's Next Topmodel": Hier moderiert die Chefin noch selbst. Uff. Jede Ansage ein wackliger Catwalk durch die Syntax. Jedes Interview eine Akkumulation von Sprachlosigkeit. Als eine österreichische Modedesignerin auf dem Gästesofa Platz genommen hatte – in Schräglage, weil ihr Rugby-Kostüm mit einem halben Dutzend Discokugeln auf den Schultern keine andere Position zuließ – fischte die Klum gerade mal wieder im Trüben. Kein Gedanke, null Inspiration. Also fragte sie: "Was ist mit deiner Spucke?" Antwort: "Die ist weg."
GNTM: Erstaunlicher Dilettantismus
Was für ein Dilettantismus bei einer Show in dieser Größe teilweise am Werk war, ist schon erstaunlich. Da saß kaum ein Übergang, da stimmte so gut wie kein Timing. Heidi Klum verstolperte selbst einfachste Teleprompter-Texte. Und Sophie, ihre Co-Moderatorin, Neuntplatzierte der Staffel und so was wie die Kodderschnauze des Kandidatinnenfeldes, machte es nicht gerade besser. Im Gegenteil. Wenn die 18-Jährige aus dem Backstage berichtete, wurde es richtig schmerzhaft. Kein Satz ohne Superlativ. Alles war "megaemotional", "megaschön", "megaschwer". Ein Mitmodel kreischte sie urplötzlich an: "Du siehst so gut aus, ich fall fast um!"
Aber die Big Five waren eine echte Augenweide. Martina, das Best-Ager-Model, hatte beim ersten Entscheidungswalk einen Lampenschirm auf dem Kopf. Ihre Tochter Lou-Anne einen Kerzenständer. Luca steckte in einem Vogelkäfig und Noëlla und Anita waren ein Ohrensessel bzw. eine Kuckucksuhr. Der Designer – Jeremy Scott, irgendeine große Nummer aus den USA – platzte vor Stolz, als er seine Kreationen über den Laufsteg stöckeln sah. Er selbst hatte eine Art Freitag-Tasche aus buntkarierter LKW-Plane an. Das sah ziemlich unbequem aus und quietschte bestimmt bei jeder Bewegung. Spielte aber keine Rolle, denn im Studio machte es eh die ganze Zeit piff-paff-puff.
Multi-Millionärin mit einem feinen Näschen fürs Geschäft
Dass sich Heidi Klum nicht zu den Vorwürfen von Volk und Co. äußern würde, war klar. Da kümmern sich jetzt die Anwälte drum. Dafür ließ sie sich ausgiebig für den Diversity-Ansatz der zurückliegenden Staffel feiern. Klein, korpulent, alt – Ausschlusskriterien von früher waren diesmal Türöffner. "Die Auswahl der Models", huldigte ihr Marina Hoermanseder, die Frau mit dem Rugby-Outfit, "ist genau das, was die Branche braucht." Und Julien Macdonald, ein Typ mit lila Haaren, sekundierte mit gespielter Fassungslosigkeit: "Noch nie in 25 Jahren habe ich so viel Diversity auf einem Laufsteg gesehen wie heute."
Die Klum als Erfinderin der Vielfalt – wer hätte das gedacht. Vielleicht ist sie auch nur eine Multi-Multi-Millionärin mit einem feinen Näschen für Trends und fürs Geschäft. Dass am Ende mit der 18-jährigen Lou-Anne eine junge Frau den Titel holte, die ziemlich exakt dem traditionellen Modelmuster entspricht: geschenkt. Die Entscheidungsfindung der One-Woman-Jury Klum, die jedesmal eine schultheaterreife Vorstellung hinlegte ("Ich muss in mich gehen und meine Entscheidung treffen"), ist eh Vollfake. "Liebe Kritiker, ich muss Sie leider enttäuschen: Wir machen genauso weiter wie bisher", las sie vom Teleprompter vor. Für manche mag das ein Versprechen sein. Für die meisten ist es einfach nur egal.