Frau Woll, der Film "Wir sind das Volk - Liebe kennt keine Grenzen" handelt vom Untergang der DDR. Sie selbst waren damals erst neun Jahre alt. Können Sie sich trotzdem noch an den Moment erinnern, als die Mauer fiel?
Ja, auf jeden Fall. Ich erinnere mich noch genau an die Fernsehbilder, die damals rund um die Welt gingen: Von den Menschen auf der Mauer, den offenen Grenzübergängen, den Trabis, die rüber fuhren. Das Weinen und das Lachen der Menschen, diese Unfassbarkeit in ihren Gesichtern - das habe ich bis heute nicht vergessen.
Wie haben Sie die Zeit der Wende damals als Kind erlebt?
Ich fand natürlich alles ganz erschreckend, weil ich nicht verstanden habe, was da passiert. Meine Eltern waren sehr aufgewühlt und haben versucht, mir alles zu erklären. Aber als Kind versteht man das ja noch nicht richtig. Ich konnte nicht begreifen, dass es eine Mauer in Deutschland gab und auf der anderen Seite Menschen lebten, die man nicht aus dem Land gelassen hat, die für ihre Freiheit kämpfen mussten. Mit neun Jahren ist man einfach zu klein, um sich solch eine Freiheitsbegrenzung wirklich vorstellen zu können. Wirklich begriffen habe ich das erst viel, viel später.
Und wann war das?
In der Schulzeit, als Menschen aus dem Osten in unseren Ort zogen und deren Kinder in meine Klasse kamen. Das war der Moment, in dem ich das erste Mal Kontakt zu Bürgern aus der ehemaligen DDR hatte und viele Fragen stellte. Aber was es für einen Menschen wirklich bedeutet, im eigenen Land der Freiheit beraubt zu sein, das habe ich erst so richtig bei den Dreharbeiten zum Film nachvollziehen können.
Im Film spielen Sie sehr überzeugend die DDR-Bürgerin Mandy Knoop, die als Sympathisantin der Opposition die Repressalien des DDR-Regimes direkt zu spüren bekommt. Wie haben Sie sich auf die Rolle vorbereitet?
Man liest sich natürlich viel durch, googelt im Internet, schaut sich die Fernsehberichte und -bilder von damals an. Aber vieles begreift man erst so richtig, wenn man mit jemandem darüber spricht, der das alles wirklich erlebt hat. Ich habe während des Drehs viel mit Leuten gesprochen, die tatsächlich nachts ihre sieben Sachen gepackt und unter Einsatz ihres Lebens "rübergemacht" haben. Dass man sich in seine Rolle auch emotional richtig hineinversetzen kann, das schafft man erst durch solche Gespräche mit Zeitzeugen und Betroffenen. Der Rest ergibt sich dann während des Drehs von selbst.
Die Mandy Knoop im Film ist alleinerziehende Mutter und arbeitet in einem Kinderhort. Würden sie sagen, dass Ihnen eine solche Rolle leichter fällt, seitdem sie selbst Mutter sind?
Auf jeden Fall! Ich glaube, das ist ganz natürlich. In "Wir sind das Volk" spiele ich eine junge, etwas naive und alleinerziehende Mutter, die zusammen mit anderen für mehr Freiheit demonstriert. In einer Szene kommt sie nach der Festnahme gedemütigt und geschlagen nach Hause und findet eine zertrümmerte Wohnung vor, das Kind ist weg. Sich das nur vorzustellen, wenn man selbst Mutter ist, reicht aus. Da muss man nicht mehr spielen. Das ist das Schlimmste, was einem als Mutter passieren kann.
Inzwischen sind auch die Dreharbeiten zum Film "Kindersuche", der 2009 ins Fernsehen kommen soll, abgeschlossen. Darin spielen Sie wieder eine Mutter. Auf den Geschmack gekommen?
Nein, das ist Zufall. Aber es ist schon komisch: Seitdem ich selbst eine Tochter habe, bekomme ich plötzlich lauter Rollen angeboten, in denen ich eine Mutter spielen soll. Das war vorher nicht so.
"Kindersuche" spielt in den Nachkriegswirren des zweiten Weltkrieges. Nach den Fernsehdramen "Dresden" und "Wir sind das Volk" ist das Ihre dritte Rolle in einem Film mit historischem Hintergrund. Was reizt sie so an Geschichtsverfilmungen?
Ich finde den Aufwand spannend, der mit Kostümen, Komparsen und Kulissen betrieben wird. Und gerade die Geschichten über die deutsche Kriegs- und Nachkriegszeit, sowie die DDR sind noch lange nicht auserzählt. Aber dass ich jetzt innerhalb relativ kurzer Zeit in drei Filmen mitgespielt habe, welche die deutsche Geschichte behandeln, ist reiner Zufall. Es passiert eben nicht oft, dass man ein wirklich gutes Drehbuch zugeschickt bekommt. Ich sortiere unheimlich viele sofort aus. Da kommt es schon mal vor, dass die wenigen Rollen, die einen herausfordern, zufällig in dieselbe Geschichtsepoche fallen.
Was ist denn für sie die größere Herausforderung - ernste oder komische Rollen?
Ernste Rollen fallen mir schon schwerer. Vielleicht ist schwerer aber auch das falsche Wort. Sie sind einfach seelisch anstrengender, weil man sich in eine Traurigkeit versetzen muss, aus der man nach Drehschluss nur schwer wieder herauskommt. Trotzdem muss man es dann schaffen, seine Energiereserven für den nächsten Drehtag wieder aufzutanken. Bei einer Komödie kannst du dagegen den ganzen Tag gut gelaunt sein, kannst Dich auf Deine Rolle konzentrieren, ohne in den Drehpausen zwischen einem traurigen und einem gutgelaunten Gemütszustand hin- und herswitchen zu müssen. In ernsten Rollen geht man wirklich an seine persönlichen Grenzen. Aber das ist ja gerade das Spannende daran.
Man muss also als Schauspieler einen Hang zum Selbstzerstörerischen haben?
Ja natürlich! Ich bin ein Mensch, der sehr gerne melancholisch ist. Sich in eine Stimmung versetzen zu können, aus der man den ganzen Tag nicht mehr rauskommt, das liebe ich an meinem Beruf: Man hört traurige Musik, denkt an irgendwas und plötzlich fängt man an zu weinen und kann einfach nicht mehr aufhören. Eigentlich ist das toll. Ich liebe das.
Gäbe es denn eine Rolle, die sie niemals spielen würden, weil damit die persönlichen Grenzen überschritten wären?
Ich mag keine Horror- und Splatterfilme. Ich habe mir einmal mit zwölf einen Horrorfilm angeguckt. Das war so furchtbar, die Bilder haben mich nicht mehr losgelassen. Ich würde nie bei etwas mitspielen, wo mir selbst angst und bange wird. Das heißt nicht, dass ich ein Weichei bin, sondern dass ich mein Gesicht nicht für etwas hergeben möchte, was die Welt nicht wirklich braucht. Eher würde ich die Rolle in einem guten Psychothriller übernehmen. Das wäre eine tolle Herausforderung für mich. Von mir hat man ja bisher immer nur lustige Rollen erwartet - glücklicherweise ändert sich das gerade.
Der Zweiteiler "Wir sind das Volk - Liebe kennt keine Grenzen" läuft am 6. Und 7. Oktober um 20.15 Uhr auf Sat1