Liebe und Krieg – Schwule Helden der Antike Körperkult und Schädelbruch

  • von Hans Czerny
Der Archäologe Panagiotis Stamatakis (Yorgos Symeonidis) dokumentierte die Skelettfunde der "Heiligen Schar von Theben" an der Ausgrabungsstätte in Cheronia. Er starb an der Malaria und wurde – wie seine Funde – kurz nach seinem Tod vergessen.
Der Archäologe Panagiotis Stamatakis (Yorgos Symeonidis) dokumentierte die Skelettfunde der "Heiligen Schar von Theben" an der Ausgrabungsstätte in Cheronia. Er starb an der Malaria und wurde – wie seine Funde – kurz nach seinem Tod vergessen.
© ARTE / EPO-Film / Anemon
1871 entdeckte der griechische Archäologe Panagiotis Stamatakis das Massengrab einer Eliteeinheit aus Theben. 150 schwule Paare sollen es gewesen sein, die zunächst mit Erfolg gegen Sparta kämpften, dann aber vom Makedonier Philipp II. bezwungen und in Ehren begraben wurden.

Vorsicht, Geschichte! Die Dokumentation "Liebe und Krieg – Schwule Helden der Antike" von Lefteris Charitos führt uns ins Jahr 338 vor Christus zurück. Damals wurde eine Heerschar wackerer Männer aus Theben, nachmalig "die heilige Schar" genannt, von Philipp II. aus Makedonien und dessen Sohn vernichtend besiegt. Das aber, nachdem sie zuvor ruhmreich gegen die Spartaner um die Hegemonie in Griechenland gekämpft hatten. Das gewiss Besondere aus heutiger Sicht: Die Soldaten von Theben sollen – so der griechische Geschichtsschreiber Plutarch und andere – paarweise und in Kräfte freisetzender Liebe zueinander angetreten sein, nach der Devise: Zu zweit ist man stärker als allein.

Dass Homosexualität und Kriegskunst im antiken Griechenland zusammengingen, ist seit Längerem wissenschaftlich erwiesen. In der Zeit des späten 19. Jahrhunderts, als der griechische Archäologe und Supervisor Panagiotis Stamatakis das Massengrab unter dem Löwen von Cheronia nahe dem alten Theben entdeckte, war Homosexualität allerdings vollständig verpönt und unter Strafe gestellt. Experten im Film – Archäologen, Historiker, Anthropologen – führen darauf auch das Verschwinden der Erkenntnisse des Stamatakis, der sich übrigens mit Heinrich Schliemann wegen dessen Troja-Sucht angelegt hatte, zurück. Andererseits grassierten kunstvoll gestaltete Bilder antiker Akte und Zeichnungen unter der Hand.

Jüngst scheint allerdings weniger die Neuentdeckung der antiken Homophilie an Anziehungskraft zu gewinnen, als die Entdeckung der Vereinbarkeit von Homosexualität und Kriegskunst. Da ist die Verherrlichung von Schlachtentum und Soldatenmut nicht weit. Wenn die Archäologen im Film allerdings mit ihren Pinseln die kaputten Knochen und Schädel der tapferen Thebaner vom Sand befreien und so noch einmal die einstigen Gräuel zutage schürfen, können sie auch eine Warnung vor zu viel Kriegslust sein. Im Zeitalter martialischer Videogames und brutaler Heavy-Metal-Attitüden ist die Besinnung auf das, was vor zweieinhalbtausend Jahren war, schon mal angezeigt. Wie die Forensiker im "Tatort" erwecken sie das Schlachtengetümmel zum Leben.

Liebe und Krieg – Schwule Helden der Antike – Sa. 15.11. – ARTE: 20.15 Uhr

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